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Anarchismus 2.0

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Die DadA-Buchempfehlung

Buchcover: 978-3-89657-052-9.jpg
Autor/en: Hans Jürgen Degen und Jochen Knoblauch (Hrsg.)
Titel: Anarchismus 2.0
Untertitel: Bestandsaufnahmen. Perspektiven
Verlag: Schmetterling Verlag
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2009
Umfang, Aufmachung: 320 Seiten, Broschiert
ISBN: (ISBN-13:) 978-3896570529
Preis: 14,80 EUR
Direktkauf: bei aLibro, der Autorenbuchhandlung des DadAWeb

Rezension

Mit dem Buch "Anarchismus 2.0" knüpfen Hans Jürgen Degen und Jochen Knoblauch an ihr 2006 veröffentlichtes Buch „Anarchismus. Eine Einführung“ an. Hierzu schreiben sie in ihrem Vorwort:

„Was wir in der 'Einführung' weitgehend ausgeklammert hatten, war die 'neuere' Praxis und auch neuere 'Theorien' des Anarchismus. Dies soll in dem vorliegenden Buch an ausgewählten – schon fast historischen und aktuellen – Zeitproblemen nachgeholt werden. Unsere Richtlinien bei der Herausgabe von „Anarchismus 2.0“ sind drei Säulen des 'wirklichen' Anarchismus – die alle Konsequenzen einschließen, die sich aus der Verwirklichung dieser Forderungen für die Gesellschaft ergeben:

  1. Antistaatlichkeit
  2. Antikapitalismus
  3. Persönliche Freiheit (‚Gleiche Freiheit Aller‘)“

Nach Web 2.0 und seinen vielen Ablegern, wie Marketing 2.0, Kapitalismus 2.0, Kommunismus 2.0, Sex 2.0, Stasi 2.0, nun also auch noch ein "Anarchismus 2.0". Diese Art der Zählung stammt ursprünglich aus der Software-Industrie, und der Wechsel zu einer neuen X.0-Version kennzeichnet in der Entwicklung von Programmen zumeist einen echten „Systemsprung“. Für einen solch radikalen „Systemsprung“ lassen sich weder in der Theorie noch in der Praxis des jüngeren Anarchismus Belege finden, und dies gilt auch für den verkleinerten Ausschnitt der von Degen und Knoblauch herausgegebenen Dokumentation.

Es ist unübersehbar, dass der klassische Anarchismus inzwischen fast ebenso dramatisch wie der klassische Sozialismus oder der klassische Kommunismus an gesellschaftspolitischer Relevanz verloren hat (in Deutschland ist diese ohnehin nie sehr ausgeprägt gewesen). Die in „Anarchismus 2.0“ gesammelten Beiträge geben dementsprechend einen Einblick in die unterschiedlichen theoretischen und praktischen Ansätze eines Anarchismus, der auf der Suche nach einer neuen gesellschaftspolitischen Bestimmung und Bedeutung ist.

Es ist eine eher westeuropäische, wenn nicht sogar ausgeprägt deutsche Sicht und Erfahrungswelt des Anarchismus, die der Leser in den Beiträgen von „Anarchismus 2.0“ vorfindet. Für denjenigen, der den Anarchismus neu für sich entdeckt, mag das Buch mit seinen unterschiedlichen Beiträgen durchaus informativ und anregend sein. Wer jedoch mit der zeitgenössischen anarchistischen Bewegung und Diskussion etwas besser vertraut ist, dürfte in „Anarchismus 2.0“ auf viel Bekanntes und wenig wirklich Neues stoßen.

Den von den Herausgebern postulierten „wirklichen“ oder „authentischen“ Anarchismus habe ich persönlich in dem Buch nicht entdecken können und auch gar nicht erwartet. Sektierer legen Wert darauf, die Vertreter der „einzigen wahren Lehre“ zu sein, und natürlich gibt es auch bei den Anarchisten Sektierer, die sich um die Reinerhaltung der anarchistischen Lehre sorgen. Das hat etwas sehr rückwärtsgewandtes, das so gar nicht zu dem Neues signalisierenden Titel des Buches passen will.

Ich habe aber in dem Buch durchaus einige spannende Beiträge entdeckt, wie den Aufsatz von Gerhard Senft zum Verhältnis von Anarchismus und Ökonomie oder den Versuch von Maurice Schuhmann zu einer Annäherung an eine anarchistische Kulturtheorie und auch den ausgesprochen praxisorientierten Beitrag von Elisabeth Voß über Kommunen und andere selbstorganisierte Lebensgemeinschaften. Andere Leser werden andere „Entdeckungen“ in dem Buch machen.

Der Sammelband von Degen und Knoblauch ist eine gelungene Momentaufnahme des neueren deutschen Anarchismus in seinen z.Z. populärsten Varianten. Wer mehr über diesen "neuen" Anarchismus und die Vorstellungen seiner Repräsentanten erfahren möchte, dem bietet „Anarchismus 2.0“ eine gute Einstiegslektüre.

Jochen Schmück,
Potsdam, im März 2010

Inhalt

  • Vorwort
  • Hans Jürgen Degen: Anarchismus in Deutschland nach 1945. Umbruch, Neuorientierung: Bruchstücke
  • Rolf Raasch: `68 und die Folgen: Anarchismus oder Anarchie?
  • Hansi Oostinga: „Wir kriegen nur wofür wir kämpfen!“ Anarchosyndikalismus heute
  • Wolfram Beyer: Freiheit ohne Gewalt – für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft
  • Gerhard Senft: Wirtschaft gestalten am Rande und mittendrin. Zum Verhältnis von Anarchismus und Ökonomie
  • Friederike Pfaff: Anarchafeminismus
  • Exkurs von Anja Kraus: Über die Achtung der Frau und die sozialen Bewegungen der indigenen Völker am Beispiel der Aymara/Bolivien
  • Jens Kastner: Ist der Zapatismus ein Anarchismus?
  • Jürgen Mümken: Postanarchismus. Anarchistische Theorie (in) der Postmoderne
  • Ralf G. Landmesser: Neue Soziale Bewegungen: Anarchismus ist soziale Bewegung
  • Ulrich Klemm: Anarchismus und Pädagogik
  • Elisabeth Voß: Gemeinsam wohnen und arbeiten – Kommunen und andere selbstorganisierte Lebensgemeinschaften.
  • Exkurs von Jochen Knoblauch: Von bolo’bolo zu KraftWerk1
  • Maurice Schuhmann: Anarchismus als Kulturbewegung - Versuch einer Annäherung an eine anarchistische Kulturtheorie
  • Autorenkollektiv um Frank Nord: Anarchismus und Internet
  • Anton Zils Anarchismus. Überlegungen
  • Dokumentation:Kurt Zube; Anarchismus. Ein verfälschter Begriff – und die Wirklichkeit, die dahinter steht
  • Nachwort
  • AutorInnen



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