"Auf uns sind die Blicke der Welt gerichtet . . ."
Die DadA-Buchempfehlung
Buchcover: | |
Autor/en: | Gerhard Senft |
Titel: | "Auf uns sind die Blicke der Welt gerichtet ..." |
Untertitel: | Die Rätebewegung in Ungarn 1919 |
Verlag: | Edition FZA |
Erscheinungsort: | Wien |
Erscheinungsjahr: | 2018 |
Ausgabe: | Erstausgabe |
Umfang, Aufmachung: | 152 Seiten, Softcover. |
ISBN: | (ISBN-13:) 978-3903104105 |
Preis: | 15,90 EUR |
Direktkauf: | bei aLibro, der Autorenbuchhandlung des DadAWeb |
Besprechung
(Fast) Vergessene Rätebewegung
Zwischen 2017 und 2020 kommt das linke Spektrum kaum aus dem Würdigen der Revolutionen heraus – russische, französische, deutsche, bayrische und mexikanische Revolution sowie der Geburtstag von Karl Marx. Eine wichtige Revolution und Bewegung wird dabei häufig ausgelassen – die ungarische Rätebewegung. Genau jenem Thema widmet sich Gerhard Senft in seiner neuen Publikation.
In sehr kompakter Form führt er in die Thematik ein, die vor dem Hintergrund des besonderen Verlaufs, nämlich des friedlichen Übergangs von einem bürgerlich-demokratischen System zu einer Räterepublik („Diktatur des Proletariats“). Dies ist eine besonders spannende und wichtige Facette der Revolutionsgeschichte, die man nicht aus anderen europäischen Ländern kennt. Zur Kontextualisierung wird u.a. Ungarns soziale und wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert nachgezeichnet, die Entstehung der Arbeiterbewegung thematisiert und in einem längeren Abschnitt auch über das bislang wenig beleuchtete Thema „Anarchisten und Sozialrevolutionäre“ in Ungarn aufgegriffen.
Die Entwicklung jener libertären Strömungen war stark durch die Rezeption von Johann Most geprägt, da u.a. eine zentrale Gestalt des ungarischen Anarchismus Mitarbeiter der Most‘schen „Freiheit“ war. Vor diesem Hintergrund diskutiert Gerhard Senft das Rätesystem als ein basisdemokratisches Konzept, welches er in einer libertären Tradition verortet.
Der allgemeinen Darstellung der Vorgeschichte und Ereignisse folgt ein fast genauso langer Teil mit zeitgenössischen Berichten – u.a. von der Kommunistin Annaliese Rüegg und dem Philosophen Georg Lukács –, die jeweils kurz historisch und biographisch eingeordnet werden, und Originaldokumenten (in deutscher Sprache) wie zwei zeitgenössischen Flugschriften und einem Flugblatt. Libertär-anarchistische Positionen zur Räterevolution fehlen hierbei leider…., obwohl Senft ihnen eine nachweisbare Rolle bei der Arbeit an der Basis zuschreibt. Bebildert ist der Band mit zeitgenössischen Aufnahmen, den Frontispizen von Zeitschriften und Ansichten der, von der Räterepublik herausgegebenen Währung.
Der Band ist guter Einstieg in die Thematik, die für viele deutschsprachige Leser*innen noch ein wenig bekanntes Kapitel der ungarischen Geschichte darstellt.
Maurice Schuhmann