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Horst Stowasser - Gedenkseite

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Wir hier in Neustadt sind alle tief erschüttert, können es nicht fassen, dass Horst nicht mehr bei uns ist. Wir hatten noch so viele Pläne zusammen. Möge die Erde dir leicht sein! Vollkommen fassungslos, Petra und Klaus


Am Sonnabend, den 29.8.2009 ist der Genosse Horst Stowasser für uns alle überraschend gestorben.

Wir sind tief erschüttert.

Knobi Berlin, den 30.8.09'


Kann mich Knobi nur anschließen. Wer seine Erinnerungen an Horst mit uns teilen möchte, kann diese hier auf dieser Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte auf die Horst-Stowasser-Gedenkseite.

Jochen,
Potsdam, 31. August 2009



Erinnerungen an Horst Stowasser

Die Nachricht vom Tode Horst Stowasser’s berührt mich tief, zumal es sehr überraschend kam. Horst, drei Jahre älter als ich, der trotz (oder gerade erst recht ) wegen seiner Gehbehinderung, immer Optimismus versprühte, war für mich ein Mensch, dem ein langes Leben zu wünschen war.

Hier nun mal spontan geschrieben, erinnere ich mich an meine erste persönliche Begegnung mit Horst in den 1970er/80er Jahre auf der Frankfurter Buchmesse. Wir waren zusammen mit Bernd Kramer in ein fiktives Gespräch verwickelt, wem es wohl am besten gelingen könnte dort Bücher zu klauen (Anarchisten klauen keine Bücher! Schon gar nicht auf der Frankfurter Buchmesse!). Horst vertrat natürlich die These, dass er es wäre, da die Wachleute einen hinkenden Mann weniger verdächtigen würden, außerdem sah er „seriöser“ aus. Darauf legte Horst wert.

Beeindruckend war auch sein Auftritt im Berliner Projekt „El Locco“ in der Kreuzbergstraße, wo wir diverse Film- und Vortragsabende Anfang der 90er Jahre organisierten. Mit einer Selbstverständlichkeit vertrat er die These: Anarchie ist machbar! Um die Situation zwischen Referenten und Publikum aufzuheben, verteilte Horst erst mal einige Tüten Chips – lasst es rascheln, niemand braucht hier nur andächtig zu zuhören. Und dann kam seine, selbst für mich bis heute eindrucksvolle Frage: was machen wir, wenn die Bürger sagen würden, wir wollen keine Regierung mehr, wir wählen nicht mehr. Wir machen das jetzt einfach mal so, wie ihr Anarchisten (Horst mochte das Binnen-I, wie viele seiner Generation, nicht) es immer gesagt habt. Was würden wir dann tun? Diese Frage beschäftigte mich immer wieder. Und der in den letzten Jahren aufkommende Google-Anarchismus, der meint vor der Revolution erst mal die eigenen Reihen säubern zu müssen, hat es eben nicht verstanden, worum es geht: Wir AnarchistInnen sind geradezu verpflichtet unsere Ideen, unsere Ansprüche vorzuleben. Es nutzt nicht nur zu reden, sondern wir müssen – soweit wir können – unsere Lebenshaltung im Alltag auf die Tauglichkeit überprüfen. Wir müssen unseren Nachbarn zeigen, wie Anarchisten leben und handeln wollen. Horst war jemand, der das gut konnte und gemacht hat. Davon zeugt auch die Idee vom „Projekt A“. Selbst, wenn es vordergründig gescheitert ist, so bleibt die Idee doch erhalten – ähnlich wie p.m.’s „bolo’bolo“ – und es ist machbar. Dies wusste Horst immer wieder zu vermitteln.

Zuletzt sah ich ihn auf dem GWR-Fest in Könnern. Er berichtete enthusiastisch von seinem generationsübergreifenden Projekt Eilhardshof. Wenn früher die Kinder versuchten ihre Eltern von Projekten zu überzeugen, waren es nun die engagierten Eltern, die sich freuten, dass auch ihre Kinder sich beteiligen wollten. Da ich nicht jemand bin, der ständig auf die Leute zugeht, freute es mich sehr, als Horst während der Pause in Könnern auf mich zu kam. Ich war davon ausgegangen, dass er mich gar nicht groß erkennen würde, aber er belehrte mich eines besseren. Er erinnerte sich noch daran, als er in den 1980er Jahren in Berlin auch bei mir war, als ich noch den AurorA-Buchvertrieb machte. Wir hatten gerade beschlossen, dass vorn im Ladengeschäft eine Goldschmiede samt Wohnaccessoires rein sollte, und in den hinteren Räumen war der Anarcho-Buchladen sowie Vertrieb und Buchversand. Horst war begeistert: genauso läuft das beim „Projekt A“, Projekte, die Geld einbringen und Projekte, die u.U. Geld eher brauchen, gehen zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Wir fühlten uns nicht als Projekt A, aber freuten uns über Horst’s Begeisterung. Das sich Horst selbst an diese Begegnung erinnerte erfreute mich sehr. Und ich ärgerte mich später, dass ich vorzeitig aus seinem Workshop raus musste, da ich noch am selben Tag nach Berlin wollte.

Horst gehörte zu jenen, die als Autoren in der GWR wie in der DA willkommen waren, und davon gibt es nicht viele, zu sehr haben wir uns in den Gräben verschanzt. Hier wird Horst als Vermittler fehlen.

Nur mit dem Individualanarchismus hatte er es nicht (ist aber auch nicht schlimm). Als der Kramer-Verlag mich bat das Kapitel über den Individualanarchismus im Buch „Was ist eigentlich Anarchie?“ zu überarbeiten, musste ich recht viel an Horst denken (auch für sein letztes Buch bei Nautilus holte er sich für dieses Kapitel Hilfe). „Was ist eigentlich Anarchie?“ brachte zuerst Horst anonym als Broschüre – damals war sein Projekt AnArchiv noch in Wetzlar ansässig – heraus. Nach und nach arbeiteten verschiedene Autoren diverse Kapitel aus, bis ein Buch draus wurde. Allerdings war damals meine Ehrfurcht vor dem Stowasser-Text ziemlich groß, sodass meine Korrekturen nur recht zaghaft ausfielen.

Horst war sicher nicht der absolute Historiker, wie er allgemein gewünscht wird. Mit Zahlen nahm er es nicht so genau, aber seine Art die Geschichte der Anarchie zu erzählen und zu vermitteln war großartig, und dafür lieben wir ihn.

Anarchie ist machbar!

Jochen Knoblauch

Berlin, den 31.8.09