Diskussion:Horst Stowasser - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | Nachruf auf Horst in der Zeitschrift KursKontakte (seit 2010: Oya) | |
− | + | Von Jochen Schilk | |
+ | Mit Bestürzung haben wir die Nachricht aufgenommen, dass unser Freund, der Schriftsteller, praktische Anarchist und mehrmalige KursKontakte-Autor Horst Stowasser völlig unerwartet am 30. August 2009 im Alter von 58 Jahren an einer Blutvergiftung gestorben ist. Er hatte sich eine Kopfverletzung auf der Baustelle des von ihm mitbegründeten Mehrgenerationenprojekts Eilhardshof in Neustadt an der Weinstraße zugezogen. Unsere Bestürzung war umso größer, da wir noch wenige Tage vor dem Unfall im Kreis der Klein Jasedower KursKontakte-Redaktion mit ihm und seiner Partnerin Ute zusammengesessen hatten. Alle haben wir ihn äußerst lebenslustig in frischer Erinnerung, den Kopf voller Pläne. Nora, die gemeinsame Tochter der beiden, hatte eine Woche am jährlichen Jasedower Kinderzirkuscamp teilgenommen, und zuvor war die Familie noch einige Tage mit dem Schoner Ernestine gesegelt, dessen Crew Teil der hiesigen Gemeinschaft ist. Der aus einer Seefahrerfamilie stammende Horst, der in den letzten Jahren aufgrund seiner sich verschlimmernden Kinderlähmung immer unbeweglicher geworden war und nicht mehr selber segeln konnte, hatte sich mit dem Törn einen Herzenswunsch erfüllt. | ||
+ | Nun sind unsere Gedanken bei ihm und seiner Familie, die schmerzlicher noch als wir mit dem Verlust eines wunderbaren, faszinierenden Menschen leben muss. | ||
+ | Mich selbst verbindet eine ausgefallene Beziehung zu Horst. Mitte der neunziger Jahre begeisterte mich die Lektüre seines bald ausverkauften Buchs „Freiheit Pur – Idee, Geschichte und Zukunft der Anarchie“. Der Wälzer, der meine politische Weltsicht und nicht zuletzt auch mein Lebensgefühl und Selbstverständnis ganz maßgeblich geprägt hat, ließ sich lange Zeit nur mit viel Glück antiquarisch auftreiben. Irgendwann kam ich auf der Suche nach alten Ausgaben an Horsts Telefonnummer. Es stellte sich heraus, dass er selbst nur noch ein Exemplar besaß. Nach dem Auseinanderbrechen des maßgeblich von ihm initiierten „Projekts A“ (bei dem die Kleinstadt Neustadt mit untereinander solidarischen anarchischen Strukturen unterwandert werden sollte) zu Beginn der neunziger Jahre, hatte Horst zudem auch genug vom Thema Anarchismus, ihn frustrierten die Szene-Querelen zu sehr. Ich hingegen war beseelt von der Idee, das vergriffene „Freiheit Pur“ neu aufzulegen, was mir schließlich 2006 mit einer gut ausdruckbaren Online-Version gelang, die im Netz rasch Verbreitung fand (und findet). In der Zwischenzeit hatte Horst, angespornt durch die Aufmunterung wohlmeinender Freunde sowie auch später durch das Interesse, das ihm seitens der Gemeinschaftsszene sowie der Matriarchatsforschung entgegenschlug, auch wieder über sein Paradethema, die Anarchie, zu schreiben begonnen. So machte er sich unter anderem an die Überarbeitung von „Freiheit Pur“, das, erweitert um einen Bilderteil und mehrere Kapitel (etwa zum Thema „Matriarchate als herrschaftsfreie Ur-Gesellschaftsform“), 2007 beim Nautilus-Verlag unter dem schlichten Titel „Anarchie!“ endlich wieder als Druckausgabe erschien – mit tollem Erfolg: Wenige Monate nach der Wiederveröffentlichung wurde Horsts Buch im Juni 2007 auf Platz 1 der gemeinsamen Sachbuch-Bestenliste der Kritiker vom Norddeutschen Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung gewählt. | ||
+ | Immer wieder hatte ich in den letzten Jahren Kontakt zu Horst, sei es, um sein Einverständnis zur Onlineausgabe einzuholen, um ihn mit den Ergebnissen der modernen Matriarchatsforschung bekanntzumachen, um Beiträge für KursKontakte mit ihm abzusprechen oder um ausgerechnet den alten Anarcho Horst als Mentor für eine Bürgerkonferenz zum Thema „Zukunft der Demokratie“ zu gewinnen – denn das war die große Stärke des Weitgereisten: „fremde Stallgerüche“ zu überwinden, indem er sich stets auf das Gemeinsame konzentrierte, statt – wie in der libertären Szene meist üblich – das Trennende hervorzuheben. Das machte es dem eingefleischten Anarchisten möglich, auch für Blätter zu schreiben, die auf den ersten Blick kaum etwas mit Anarchie zu tun zu haben schienen. Vor allem als einen eloquenten Botschafter zwischen den verschiedenen Aspekten der Gegenkultur werde ich Horst nun schmerzlich vermissen! | ||
+ | Horst, wir hätten dich noch sehr gebraucht beim Erschaffen der ersehnten neuen Kultur! Fast alle, die dich näher kannten, hatten noch viel mit dir vor! Nun bleibt uns nur die Erinnerung an dich. Und immerhin haben wir deine Bücher. | ||
+ | Auf deiner Online-Gedenkseite, Horst, habe ich den schönen Spruch des Anarchisten Erich Mühsam gelesen: „Wollt ihr denen Gutes tun,/die der Tod getroffen,/Menschen lasst die Toten ruh'n/und erfüllt ihr Hoffen.“ So wollen wir es halten, das wollen wir versuchen, deinem Andenken zu Ehren. | ||
+ | Und dennoch: Auch wenn dir dieser Gedanke zu Lebzeiten wohl eher fremd gewesen wäre, so möchte ich doch zum Ausdruck bringen, dass ich mich freuen würde, dich irgendwann, irgendwo wiederzusehen … | ||
+ | (Aus der Ausgabe 165, Okt/Nov 2009) | ||
− | + | Horst Stowassers Beiträge für die KursKontakte finden sich unter www.kurskontakte.de | |
− | + | Eine Version seines Buchs „Freiheit Pur“ findet sich unter www.Mama-Anarchija.net | |
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Version vom 2. Februar 2010, 14:57 Uhr
Wer seine Erinnerungen an Horst Stowasser mit uns teilen möchte, kann sie hier auf dieser Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte auf die eigentliche Horst-Stowasser-Gedenkseite. --Jochen_S 07:42, 31. Aug. 2009 (UTC)
Nachruf auf Horst in der Zeitschrift KursKontakte (seit 2010: Oya)
Von Jochen Schilk
Mit Bestürzung haben wir die Nachricht aufgenommen, dass unser Freund, der Schriftsteller, praktische Anarchist und mehrmalige KursKontakte-Autor Horst Stowasser völlig unerwartet am 30. August 2009 im Alter von 58 Jahren an einer Blutvergiftung gestorben ist. Er hatte sich eine Kopfverletzung auf der Baustelle des von ihm mitbegründeten Mehrgenerationenprojekts Eilhardshof in Neustadt an der Weinstraße zugezogen. Unsere Bestürzung war umso größer, da wir noch wenige Tage vor dem Unfall im Kreis der Klein Jasedower KursKontakte-Redaktion mit ihm und seiner Partnerin Ute zusammengesessen hatten. Alle haben wir ihn äußerst lebenslustig in frischer Erinnerung, den Kopf voller Pläne. Nora, die gemeinsame Tochter der beiden, hatte eine Woche am jährlichen Jasedower Kinderzirkuscamp teilgenommen, und zuvor war die Familie noch einige Tage mit dem Schoner Ernestine gesegelt, dessen Crew Teil der hiesigen Gemeinschaft ist. Der aus einer Seefahrerfamilie stammende Horst, der in den letzten Jahren aufgrund seiner sich verschlimmernden Kinderlähmung immer unbeweglicher geworden war und nicht mehr selber segeln konnte, hatte sich mit dem Törn einen Herzenswunsch erfüllt. Nun sind unsere Gedanken bei ihm und seiner Familie, die schmerzlicher noch als wir mit dem Verlust eines wunderbaren, faszinierenden Menschen leben muss. Mich selbst verbindet eine ausgefallene Beziehung zu Horst. Mitte der neunziger Jahre begeisterte mich die Lektüre seines bald ausverkauften Buchs „Freiheit Pur – Idee, Geschichte und Zukunft der Anarchie“. Der Wälzer, der meine politische Weltsicht und nicht zuletzt auch mein Lebensgefühl und Selbstverständnis ganz maßgeblich geprägt hat, ließ sich lange Zeit nur mit viel Glück antiquarisch auftreiben. Irgendwann kam ich auf der Suche nach alten Ausgaben an Horsts Telefonnummer. Es stellte sich heraus, dass er selbst nur noch ein Exemplar besaß. Nach dem Auseinanderbrechen des maßgeblich von ihm initiierten „Projekts A“ (bei dem die Kleinstadt Neustadt mit untereinander solidarischen anarchischen Strukturen unterwandert werden sollte) zu Beginn der neunziger Jahre, hatte Horst zudem auch genug vom Thema Anarchismus, ihn frustrierten die Szene-Querelen zu sehr. Ich hingegen war beseelt von der Idee, das vergriffene „Freiheit Pur“ neu aufzulegen, was mir schließlich 2006 mit einer gut ausdruckbaren Online-Version gelang, die im Netz rasch Verbreitung fand (und findet). In der Zwischenzeit hatte Horst, angespornt durch die Aufmunterung wohlmeinender Freunde sowie auch später durch das Interesse, das ihm seitens der Gemeinschaftsszene sowie der Matriarchatsforschung entgegenschlug, auch wieder über sein Paradethema, die Anarchie, zu schreiben begonnen. So machte er sich unter anderem an die Überarbeitung von „Freiheit Pur“, das, erweitert um einen Bilderteil und mehrere Kapitel (etwa zum Thema „Matriarchate als herrschaftsfreie Ur-Gesellschaftsform“), 2007 beim Nautilus-Verlag unter dem schlichten Titel „Anarchie!“ endlich wieder als Druckausgabe erschien – mit tollem Erfolg: Wenige Monate nach der Wiederveröffentlichung wurde Horsts Buch im Juni 2007 auf Platz 1 der gemeinsamen Sachbuch-Bestenliste der Kritiker vom Norddeutschen Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung gewählt. Immer wieder hatte ich in den letzten Jahren Kontakt zu Horst, sei es, um sein Einverständnis zur Onlineausgabe einzuholen, um ihn mit den Ergebnissen der modernen Matriarchatsforschung bekanntzumachen, um Beiträge für KursKontakte mit ihm abzusprechen oder um ausgerechnet den alten Anarcho Horst als Mentor für eine Bürgerkonferenz zum Thema „Zukunft der Demokratie“ zu gewinnen – denn das war die große Stärke des Weitgereisten: „fremde Stallgerüche“ zu überwinden, indem er sich stets auf das Gemeinsame konzentrierte, statt – wie in der libertären Szene meist üblich – das Trennende hervorzuheben. Das machte es dem eingefleischten Anarchisten möglich, auch für Blätter zu schreiben, die auf den ersten Blick kaum etwas mit Anarchie zu tun zu haben schienen. Vor allem als einen eloquenten Botschafter zwischen den verschiedenen Aspekten der Gegenkultur werde ich Horst nun schmerzlich vermissen! Horst, wir hätten dich noch sehr gebraucht beim Erschaffen der ersehnten neuen Kultur! Fast alle, die dich näher kannten, hatten noch viel mit dir vor! Nun bleibt uns nur die Erinnerung an dich. Und immerhin haben wir deine Bücher. Auf deiner Online-Gedenkseite, Horst, habe ich den schönen Spruch des Anarchisten Erich Mühsam gelesen: „Wollt ihr denen Gutes tun,/die der Tod getroffen,/Menschen lasst die Toten ruh'n/und erfüllt ihr Hoffen.“ So wollen wir es halten, das wollen wir versuchen, deinem Andenken zu Ehren. Und dennoch: Auch wenn dir dieser Gedanke zu Lebzeiten wohl eher fremd gewesen wäre, so möchte ich doch zum Ausdruck bringen, dass ich mich freuen würde, dich irgendwann, irgendwo wiederzusehen …
(Aus der Ausgabe 165, Okt/Nov 2009)
Horst Stowassers Beiträge für die KursKontakte finden sich unter www.kurskontakte.de Eine Version seines Buchs „Freiheit Pur“ findet sich unter www.Mama-Anarchija.net
Beiträge der Diskussionsseite
Anonyme bzw. zur Diskussion gestellte Beiträge
Horst Stowasser (Mit-)Gründer der Zeitung direkte aktion?
Nicht das dies so wichtig wäre, aber ich glaube die Information, das Horst Stowasser Mitgründer der "direkten aktion" der I-FAU, (damals noch Zeitung für die Region Nord) war, ist soweit ich weiß nicht richtg. (Der Herausgeberkreis war aus Hamburg). Er mag Gründungsmitglied der FAU bzw. I-FAU gewesen sein, hab ich jedenfalls schon häufiger gelesen, aber an der Gründung der direkten Aftion war er nicht beteiligt, wohl aber später in der Redaktion von die "direkte aktion".
Ich hab ihn sehr gemocht (obwohl nur dreimal gesehen, im Abstand von ca. 20 Jahren). Und er ist ein unersetzbarer Verlust für den libertären Sozialismus, die Anarchie!
Wichtig fand ich neben seinen iminent wichtigen und lebhaften 'Anarchie-Einführungen', sein auch in der FAU nicht unumstrittenes Buch: "Anti-Aging für die Anarchie. Das libertäre Barcelona und seine anarchistischen Gewerkschaften 70 Jahre nach der Spanischen Revolution. Eine Reportage", Verlag Edition AV, Lich 2006 ISBN 978-3-936049-72-5.[Auszüge in GWR Nr. 311/312; Rezension in der Graswurzelrevolution (Zeitschrift) Nr. 318]. Undogmatisch nimmt er Stellung, auf der Basis seiner Reiseeindrücke und Begegnungen mit den verschiedenen anarcho-syndikalistischen Fraktionen bzw. Strömungen. Wie auch immer Mensch zu den Inhalten/Wertungen steht, er ist einem Dialog bzw. einer Auseinandersetzung nicht ausgewichen, ein Eindruck den ich z. T. in der FAU bzw. "direkten Aktion" nicht hatte. Auch hier hat er wichtige 'Pionierarbeit' geleistet und eine in meinen Augen einwandfreie libertäre, freiheitliche Haltung vorgelebt!
Vielen Dank allen, die Ihre Erinnerungen an Horst Stowasser auf dieser Seite (mit-)geteilt haben! Danke an Andreas Hohmann für seine Worte an die Kinder, seine Frau sowie Familie! Meine Anteilnahme mit schwärzlich-schmerzlichen Grüßen! J.B. (Nur für die Diskussionsseite).
Horst Stowasser: Anarchie. Von Anonym
Durch dein Buch Anarchie, habe ich entdeckt, was ich schon immer war, ein Anarchist. Nicht das dies ein Unterschied gemacht hätte, jedoch bereichtertest du mich mit diesem Buch um viele Facetten einer Idee, die auch die meine war und es immer noch ist.
Anonym.
Redaktioneller Kommentar zum Nachruf von Barbara Stützel
Wir wissen, dass das ZEGG-Projekt in der anarchistischen Szene teilweise auf heftigen Widerstand stößt, und auch in den Projekten "DadAWeb" und "Lexikon der Anarchie" gibt es hierzu geteilte Meinungen. In diesem Fall sind wir allerdings der Ansicht, dass die viel beschworene Toleranz von Horst selbstverständlich auch auf seiner Gedenkseite zur Geltung kommen sollte.
Jochen Knoblauch & Jochen Schmück