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Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)

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Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen


Solidaritätsdemo der FAUD (A-S), Arbeitsbörse Groß-Berlin, vor dem Berliner Stadtschloss gegen die in den USA drohende Hinrichtung der beiden Anarchisten Sacco und Vanzetti (Juli 1927)

Die Freie Arbeiter Union Deutschland (FAUD) ging im Dezember 1919 durch Umbenennung aus der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVDG) hervor. Sie war bis zu ihrer Auflösung 1933 die wichtigste Organisation des deutschen Anarchosyndikalismus.

Geschichte

Bevor gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland der Zentralisierungsprozess in der Gewerkschaftsbewegung einsetzte, waren die bis dahin bestehenden Arbeitervereinigungen als lokale Berufsvereine ohne bürokratische Führungsinstanzen zusammengefasst. Die örtlichen Berufsvereine wiesen mit ihren basisdemokratischen Entscheidungsfindungsprozessen, ihren diskontinuierlichen Organisationsformen und ihren genossenschaftlichen Produktionszielen bereits charakteristische syndikalistische Definitionskriterien auf. Während der Periode des restriktiven Sozialistengesetzes entwickelten die Gewerkschaften zwischen 1878 und 1890 ein lokal organisiertes Vertrauensmännersystem, um somit den koalitionsrechtlichen Einschränkungen der Bismarckschen Ausnahmeverfügung zu entgehen. In der Zeit der eingeschränkten Legalität blieben dadurch die Aufrechterhaltung der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit und die Möglichkeit der Koordination von Arbeitskämpfen gewährleistet. Die Auseinandersetzung um die Beibehaltung dieser basisbezogenen Organisationsform führte im März 1892 auf dem Halberstadter Gewerkschaftskongress zur Abspaltung einer lokalorganisierten Minderheit, die sich weigerte, die von der Generalkommission angestrebte Zentralisation der örtlichen Berufsvereinigungen zu akzeptieren. In ihrem Selbstverständnis als radikalgewerkschaftliche Sozialdemokraten bestanden die sog. „Lokalisten" auf ihre örtliche Aktions- und Organisationsautonomie, dessen überregionale Koordinierung nur durch die Delegation von gewählten Vertrauensmännern erfolgen sollte. Im Verlauf der Kontroversen um den Reformismus bzw. den Bürokratisierungstendenzen in den Zentralgewerkschaften, konsolidierte sich die anfänglich lockere Organisationsstruktur der radikalgewerkschaftlichen Minorität, deren quantitativer Höchststand um die Jahrhundertwende bei ca. 20.000 Mitgliedern lag. Die endgültige Trennung von den Zentralgewerkschaften dokumentierte die lokalistische Gewerkschaftsopposition durch die Änderung der Organisationsbezeichnung in FVdG (Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften) auf ihrem 5. Kongress im September 1901. Die interne Gewerkschaftskritik bekam ab 1904 insofern eine zusätzliche politische Dimension, als die FVdG unter dem Einfluss des Berliner Arztes und Anarchisten Dr. Raphael Friedeberg, mit der Annäherung an die antiparlamentarische Strategie des revolutionären →Generalstreiks, eine programmatische Neuorientierung an die Prinzipien des revolutionären Syndikalismus einleitete. Der nachfolgende formale Bruch mit der Sozialdemokratie im Jahr 1908, der – aufgrund einer von der Parteiführung verhängten Verbots – faktisch die Trennung der sozialdemokratischen Mitglieder von der Organisation bedeutete, verstärkte diese ideologischen Grundpositionen in der FVdG. Als Geschäftsführer bestimmte seit 1904 der Berliner Maurer Fritz Kater maßgeblich den zunehmend sozialrevolutionärer ausgerichteten Kurs der FVdG mit. Wesentliche Impulse gingen hierbei von den Klassenkampfmethoden der französischen CGT (Confédération Générale du Travail) aus, die in der Theorie erstmals seit der Jahrhundertwende in den Kreisen des Arbeiteranarchismus der AFD (Anarchistische Föderation Deutschlands) rezipiert worden waren. Die kontinuierliche Entwicklung zum Syndikalismus fand erst auf dem 10. Kongress der FVdG im Jahre 1912 eine programmatische Bestimmung. Die Rezeption der anarchistischen Theoretiker führte zwar zu einem deutlichen ideologisch-programmatischen Neuorientierung in der FVdG, die Kontakte zwischen der AFD und der FVdG blieben jedoch bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs auf regionale Kooperationen in Rheinland-Westfalen und Hamburg beschränkt. Zu Beginn des 1. Weltkrieges wurde die FVdG als antimilitaristische Organisation verboten und konnte infolgedessen bis 1918 ihre gewerkschaftlichen Aktivitäten nur vermindert wahrnehmen.

Da die informellen Verbindungen ihrer regionalen Protagonisten während des Krieges aufrechterhalten werden konnten, führte die Koordinierung der Organisationsreste bereits im Dezember 1918 zur Rekonstituierung der FVdG. In den revolutionären Streikbewegungen der ersten Hälfte des Jahres 1919 verzeichnete die FVdG einen beträchtlichen Mitgliederzuwachs unter den radikalisierten Berg- und Metallarbeitern der industriellen Zentren des Rheinlandes und des Ruhrgebiets. Mit ihrer Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Verflechtung der überbürokratisierten Zentralgewerkschaften und der Propagierung der unmittelbaren Aktionsformen der Direkten Aktion, gewann die FVdG, als eine radikalgewerkschaftliche Alternative, bis August 1919 etwa 60.000 zusätzliche Mitglieder. Die organisationsübergreifende Integration einer Massenbasis gelang mit der Gründung der rheinisch-westfälischen Freien Arbeiter Union (FAU) im September 1919. An dem Gewerkschaftskartell waren verschiedene unionistische und syndikalistische Regional- bzw. Berufsverbände beteiligt, aufgrund ihrer parteipolitischen und organisationsprinzipiellen Divergenzen erreichte die FAU keine dauerhafte Kohärenz. Die Verbindung blieb insofern labil, da sich in der FAU der marxistisch motivierte Unionismus der Linkskommunisten und der von anarchistischen Vorstellungen inspirierte Syndikalismus ungeachtet aller Gemeinsamkeiten der sozialen Basis ideologisch gegenüberstanden. Als der vom 27. bis 30. Dezember 1919 in Berlin tagende 12. Reichskongress der FVdG das Kartell bestätigte, artikulierten sich die anscheinend unvereinbaren Differenzen in der Koalition bereits unmissverständlich. Die anwesenden 109 Delegierten, die nach eigenen Angaben 111.675 Mitglieder vertraten, verabschiedeten hier mit der von Rudolf Rocker formulierten Prinzipienerklärung des Syndikalismus eine neue programmatische Grundlage, die durch die Umbenennung in FAUD (Syndikalisten [S]) nochmals hervorgehoben wurde. Nachdem die FVdG noch im Dezember 1918 zur Mitarbeit in den politischen Parteien aufgerufen hatte, kam es erst 1921 auf dem 13. Kongress der FAUD (S) in Düsseldorf zu einer endgültigen Distanzierung von den Linksparteien. Der Unvereinbarkeitsbeschluss, der die parteipolitische Abstinenz künftig programmatisch festschrieb, führte somit zum Ausscheiden der parteifixierten Mitglieder in der FAUD (S). Auf Drängen der Linksparteien (USPD, VKPD) hatte sich bereits im November 1920 ein Teil der westfälischen Bergarbeiter von der FAUD (S) abgespalten, um sich fortan als Freie Arbeiter Union Gelsenkirchener Richtung erfolgreich an den Betriebsrätewahlen zu beteiligen.

Von relativ kurzer Dauer war auch die Inkorporation des seit Ende 1918 bestehenden „Internationalen Seemannsbunds" (ab Frühjahr 1919: „Deutscher Seemannsbund"), der einzigen syndikalistischen Berufsorganisation in Deutschland, deren numerischen Stärke (18 bis 20.000 Mitglieder im Jahr 1919) nicht nur einen freigewerkschaftlichen Konkurrenzverband überstieg, sondern zeitweilig auch dessen Tarifhoheit übernehmen konnte. Nachdem der DSB am 12. Kongress der FVdG teilgenommen hatte, erfolgte Anfang 1920 der formelle Anschluß an die inzwischen umbenannte FAUD (S). Im September 1920 trat eine radikalisierte, jedoch mit dem Nationalkommunismus sympathisierende Minderheit des Berufsverbands der Kapitäne und Schiffsoffiziere dem DSB bei, um mit diesem eine seemännische Einheitsorganisation („Deutscher Schiffahrtsbund") zu bilden. Sowohl der Seemanns- als auch der Schifffahrtsbund assimilierten sich nicht in der FAUD, sondern beharrten auf eigene Organisationsstrukturen und auf unabhängige Entscheidungsfindungsprozesse. Andererseits wurden jedoch Unterstützungsleistungen eingefordert, welche die FAUD als Dachorganisation ohne akkumuliertes Vermögen nicht aufzubringen vermochte. Als sich die dominante, zur KPD tendierende Leitung der mitgliederstärksten Ortsgruppe in Hamburg gegen die syndikalistische Opposition innerhalb des DSB durchsetzte, wurde im Mai 1922 die Trennung von der FAUD und der Beitritt in die RGI („Rote Gewerkschaftsinternationale") vollzogen. Etwa 1.000 Seeleute und Hafenarbeiter in Stettin hatten zuvor gegen die KPD-Politik im DSB opponiert und eine „Internationalen Seemannsunion" ins Leben gerufen, die Ende 1923, mit einigen weiteren lokalen Gruppen an der Nord- und Ostseeküste, eine deutsche Sektion der IWW bildeten.

Die längerfristige Einbindung eines syndikalistischen Berufsverbands gelang mit dem seit November 1918 bestehenden „Verband der Binnenschiffer" (VdB), der, anfänglich in politischer Nähe zur USPD und KPD(S) stehend, im Rahmen der revolutionären Rätebewegung die Kollektivierung der Binnenschifffahrt anstrebte. Ende 1919 reklamierte der VdB fast 7.400 Mitglieder gegenüber den rund 3.100 Binnenschiffern des freigewerkschaftlichen deutschen Transportarbeiterverbands (DTAV). Nach der im April 1920 vollzogenen Rückkehr der gemäßigten Schiffer in den DTAV, führten die ca. 500 verbleibenden Mitglieder bestehenden VdB im Rahmen der Föderation der Kommunal- und Verkehrsarbeiter innerhalb der FAUD weiter. Der noch etwa 60 Mitglieder zählende VdB löste sich unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgungsorgane am 30. Juni 1933 selbst auf.

Gegen den gewerkschaftlichen Charakter der FAUD (S) richtete sich im Verlauf des Jahres 1921 eine interne individualanarchistische Strömung, die im Zuge ihrer grundsätzlichen Organisationskritik alle bindenden Verbandsstrukturen ablehnte. In den rheinisch-westfälischen Ortsgruppen leiteten die Auseinandersetzungen mit dem →Individualanarchismus und eine zusätzliche Ausschlusswelle von indifferenten Mitgliedern, den Verlust der dortigen Massenbasis ein. Als der 14. Kongress der FAUD (S) im November 1922 das ideologische Selbstverständnis des Anarchosyndikalismus als die „praktische Organisationsform des Anarchismus" durch eine Ergänzung der Organisationsbezeichnung um den Zusatz „Anarcho-Syndikalisten" (AS) zum Ausdruck brachte, waren die Auflösungserscheinungen weitgehend beseitigt. Gegen den von R. Rocker und der Berliner Geschäftskommission (GK) vertretenen ideologischen Kurs, der die FAUD als aufklärerisch wirkende Ideengemeinschaft festlegte, bildete sich im Rheinland und im Ruhrgebiet eine starke oppositionelle Strömung, die sich um das seit 1921 in Düsseldorf erscheinende Publikationsorgan „Die Schöpfung" gruppierte. Die Ausgangspunkte für die Kritik an der Politik der GK boten dabei u. a. deren vermeintlich dogmatische Auslegung der anarchistischen Programmatik, die unflexible Haltung gegenüber dem unionistischen Rätekommunismus, wie auch deren pazifistische Tendenzen. Die GK hatte sich zuvor im Verlauf des insurektionellen Generalstreiks gegen den Kapp-Putsch, entschieden gegen eine Beteiligung an der sog. Roten-Ruhr-Armee gewandt. Aus zeitgenössischen Darstellen geht hervor, dass sich dessen ungeachtet die Aufstandsarmee zu etwa 50% aus Mitgliedern der FAUD (AS) zusammensetzte. Die aktivistische Grundeinstellung der Düsseldorfer Opposition kam im Rheinland besonders in der Förderung von Siedlungsexperimenten und Schulprojekten zum Ausdruck. Während der Stabilisierungsphase der Weimarer Republik setzte nach 1923 ein starker Erosionsprozess der Mitgliederbasis ein.

Dieser negative Trend verstärkte das Engagement einiger Ortsgruppen in separatistischen Bewegungen (z. B. im "Rheinischen Separatismus", der für eine Abspaltung der Rheinprovinz vom Deutschen Reich eintrat). Auch in Oberschlesien und im Saarland wirkte die nationale Frage gewissermaßen als Sprengsatz für die dortigen Anarchosyndikalisten. Um den Niedergang der Organisation aufzuhalten, unternahm die FAUD (AS) auf dem 15. Kongress 1925 eine taktische Kurskorrektur in Richtung einer betont gewerkschaftlicheren Linie. In Verbindung mit einer intensivierten Durchstrukturierung des Organisationsaufbaus, gelang damit eine relative Stabilisierung der FAUD (AS) bis zur Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929. Nachdem das Reichsarbeitsgericht der FAUD (AS) die Anerkennung als tariffähigen Berufsverband verweigert hatte, verlor sie als gewerkschaftliche Alternative an Attraktivität in den Betrieben. Die Mitgliederzahlen gingen dementsprechend kontinuierlich von 25.000 im Jahre 1925 auf etwa 4.000-5.000 im Jahr 1932 zurück. An der Radikalisierung der Arbeiterschaft in der Weltwirtschaftskrise hatte die FAUD mit ihrem geringen – und auf wenige Städte begrenzten Einfluss – keinen Anteil. Auf dem 19. Kongress der FAUD (AS) war im März 1932 vereinbart worden, die Organisation im Falle einer nationalsozialistischen Diktatur selbst aufzulösen. Offiziell geschah dies nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Februar 1933. Im März 1933 begannen die Behörden mit der Verfolgung der noch existenten Reststrukturen der FAUD (AS). Trotz zahlreicher Verhaftungen konnte bis 1937 ein funktionsfähiges Widerstandsnetz aufgebaut werden, an dem sich 1934 bis zu 600 Personen in Deutschland beteiligten. Exilierte Mitglieder der FAUD (AS), die sich 1933/34 in Amsterdam zur Gruppe Deutsche Anarcho-Syndikalisten (DAS) zusammengeschlossen hatten, unterstützten diese Aktivitäten von außen. Die Koordination der deutschen Exilgruppen, von denen weitere in Barcelona, Paris und Stockholm entstanden, erfolgte dabei durch die IAA (Internationale Arbeiter-Assoziation). Als im Juli 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, gelangte ein Teil der anarcho-syndikalistischen Auslandsorganisation nach Spanien, um an der Seite der CNT (Confederación Nacional del Trabajo) am Spanischen Bürgerkrieg teilzunehmen. Durch die revolutionären Ereignisse in Spanien alarmiert, begannen die Nationalsozialisten im Reichsgebiet mit der intensivierten Aushebung der illegalen Gruppen. Bis 1937 konnten die Nationalsozialisten den anarchosyndikalistischen Widerstand in Deutschland weitgehend zerschlagen. In mehreren Prozessen wurden die Widerständler der FAUD (AS) abgeurteilt und in Zuchthäuser bzw. in Konzentrationslager eingeliefert, aus denen eine große Zahl von ihnen nicht zurückkehrten. Der Versuch von Überlebenden und aus dem Exil zurückgekehrten Anarchosyndikalisten, die Vorkriegszusammenhänge des antiautoritären Lagers wiederzubeleben, führte 1947 zur Gründung der Föderation freiheitlicher Sozialisten (FFS). Die FFS brachte von 1949 bis 1953 die Zeitschrift „Die freie Gesellschaft" heraus, in der u. a. Rudolf Rocker, Helmut Rüdiger, Fritz Linow sowie Augustin Souchy die anarchosyndikalistische Theorie einer Revision unterzogen. Mit der Konzeption des Freiheitlichen Sozialismus ließ sich jedoch keine nennenswerte Basis außerhalb der in sich gespaltenen antiautoritären Vorkriegszusammenhänge mobilisieren, so dass die Veteranen des deutschen Anarchosyndikalismus schließlich in der Mitte der fünfziger Jahre aufgaben. Aus dem Umfeld des Neoanarchismus und der 68er Bewegung wurde 1977 mit der Gründung der FAU (Freie Arbeiter/Innen Union) wieder an die Tradition des organisierten Anarchosyndikalismus aus der Zeit der Weimarer Republik angeknüpft. Als deutsche Sektion der IAA konnte sich die FAU bis heute in einem bescheidenen Ausmaß stabilisieren.

Organisation

"Der Syndikalist". Das Verbandsorgan der FAUD (A-S).

Vor dem ersten Weltkrieg befand sich der regionale Schwerpunkt der FVdG in Berlin. Die soziale Basis der „Lokalisten" stellten die dortigen qualifizierten Handwerksberufe des Baugewerbes; insbesondere die der Maurer und der Zimmerer. Nach 1918 bildete sich – neben der Mitgliederbasis in der Handwerkerschaft – ein neues Rekrutierungspotential in organisationserfahrenen und qualifizierten Facharbeiterkreisen heraus, die aus ihrer Opposition zur arbeitsgemeinschaftlichen Politik der Gewerkschaftsverbände den Weg zum Anarchosyndikalismus fanden. Ihre Massenbasis rekrutierte die FAUD vor allem unter den ungelernten Massenarbeitern in der stahlerzeugenden und -verarbeitenden Industrie in Rheinland-Westfalen, im Kohlebergbaurevieren des Ruhrgebiets und Oberschlesiens sowie in einzelnen lokalen Hochburgen in Thüringen und in Norddeutschland. Um das Jahr 1920/21 verzeichnete die FAUD mit ca. 150.000 Mitgliedern in 450 Ortsgruppen ihren quantitativen Höchststand. Die Organisationsstruktur der FAUD glich dem föderalistischen Schema der französischen CGT und war vertikal in den regionalen „Arbeitsbörsen" – und horizontal nach berufsspezifischen Branchenverbänden – und (oder) nach den sog. Industrieföderationen aufgebaut. Die Mitgliederbasis war ihrer jeweiligen Branchenzugehörigkeit entsprechend, in Berufs- oder Industrieverbänden zusammengefasst, von denen insgesamt zwölf geplant waren. Die Arbeitsbörsen und Industrieföderationen erstreckten sich ihrerseits von unten nach oben auf die Orts-, Kreis-, Provinz- und Landesebene. Das Organisationskonzept der FAUD sah auf der betrieblichen Ebene das Rätesystem (Räte) als Delegationsform im Produktionsbereich vor. Waren die regionalen Branchen in den Ortsgruppen nicht ausreichend vertreten, dann erfolgte der Zusammenschluss der Beschäftigten zu einer „Vereinigung aller Berufe". Waren mehr als 25 Mitglieder eines Industriezweigs in einer Ortsgruppe vorhanden, dann formierten sich die Ortsverbände für den betreffenden Berufszweig zu Föderationen.

Mit der Zusammenfassung nach Industrieföderationen begann sich nach der Konstituierung der FAUD (S) das Industrieverbands- gegenüber dem lokalistischen Berufsverbandsschema durchzusetzen; beide Organisationsprinzipien blieben jedoch in der Praxis nebeneinander bestehen. Als kleinste Organisationseinheiten blieben die Ortsverbände in ihren Entscheidungen weitgehend autonom und besaßen das Recht, eigene Satzungen auszuarbeiten, die jedoch nicht im Gegensatz zur allgemeingültigen Prinzipienerklärung stehen durften. Falls in einem engeren regionalen Rahmen mehrere Ortsgruppen existierten, dann bildeten sie eine „Arbeitsbörse". Aufgrund ihrer sozialintegrativen und koordinierenden Funktionen stellten die Arbeitsbörsen das eigentliche organisatorische Rückgrat der FAUD dar. Dem anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsverständnis zufolge, sollten Arbeitsbörsen die primär erzieherischen Aufgaben des Anarchosyndikalismus erfüllen und somit das Instrument zur kulturellen Durchdringung der Gesellschaft verkörpern. Bis 1922 konnten insgesamt 35 Arbeitsbörsen geschaffen werden. Den Industrieföderationen oblagen die gewerkschaftlichen Aufgaben der Koordinierung und Ausführung der Arbeitskämpfe. Zeitweilig existierten sechs Föderationen der Bergarbeiter, der Bauarbeiter, der Metall- und Industriearbeiter, der Kommunal- und Verkehrsarbeiter, der Holzarbeiter sowie der Textil- und Bekleidungsarbeiter.

Als oberstes Exekutivorgan der FAUD fungierte die aus sieben Mitgliedern bestehende Geschäftskommission mit dem Sitz in Berlin. Die Aufgaben der GK bestanden hauptsächlich in der Verbreitung der theoretischen Grundlagen z. B. durch die Herausgabe des Verbandsorgans „Der Syndikalist". In Streikfällen oblag es der GK, die Koordinierung der Regionalorganisationen und deren Unterstützungsleistungen sicherzustellen, da keine zentrale Unterstützungskasse existierte. Die GK berief auch den im Zweijahresabstand stattfindenden Kongress der FAUD ein, zu dem alle Ortsgruppen ihre Delegierten entsandten. Als höchstes beschlussfassendes Organ der FAUD (AS) wurde dort über die grundsätzlichen theoretischen und organisatorischen Fragen entschieden. Zur Klärung von innerorganisatorischen Differenzen wurde nach einem Beschluss des 18. Kongresses der FAUD (AS), im Jahr 1930, ein „Reichsrat" eingeführt, der sich aus jeweils einem Vertreter aller bestehenden Industrieföderationen, Provinzialarbeitsbörsen und den Mitgliedern der GK zusammensetzte. Die organisatorische Durchstrukturierung der FAUD war bis zum Jahr 1927 abgeschlossen. Als jedoch die Mitgliederzahlen drastisch zurückgingen und darüber hinaus die Arbeitslosenquote in der Organisation ca. 60% bis 80% erreichte, verloren die Industrieföderationen merklich an Bedeutung. Die Einbindung der im Jahre 1932 noch 157 existenten Ortsgruppen konzentrierte sich nun auf die Arbeitsbörsen, von denen zum gleichen Zeitpunkt noch zwölf auf der Provinzialebene bestanden. Während die anarchosyndikalistische Präsenz in den Großbelegschaften der Metallindustrie und des Bergbaus bis zur Bedeutungslosigkeit schwand, behielt die FAUD (AS) in einzelnen Handwerksberufen, in denen die zünftlerischen Traditionen der Arbeiterbewegung noch stark nachwirkten, einen nachweisbaren Einfluss. Dies betraf vor allem die Berufsgruppen der Töpfer, Fliesenleger, Kistenmacher und Musikinstrumentenbauern in Berlin, die Fliesenleger im Rheinland, sowie die Bandwirker und Riemendreher in Krefeld. Eigenständige, nur formal im Rahmen der FAUD operierende syndikalistische Berufsverbände, wie z. B. der DSB, konnten indessen nicht dauerhaft integriert werden und gerieten in das Fahrwasser der Gewerkschaftspolitik der KPD.

Ausflug des "Syndikalistischen Frauenbundes Groß-Berlin"

In der Zeit ihres Bestehens entwickelten sich aus dem mehr oder weniger direkten Umfeld der FAUD (AS) einige kulturelle Neben- bzw. Vorfeldorganisationen heraus. Die in der →„Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend Deutschlands" seit 1921/22 zusammengeschlossenen Jugendlichen bildeten im unmittelbarem Einflussbereich der FAUD bis 1933 einen eigenständigen Verband, deren Höchststand ca. 3.000 Mitglieder betrug. Der „Syndikalistische Frauenbund" SFB) wurde 1920 gegründet und erfasste 1921 in ca. 20 Ortsgruppen etwa 1.000 weibliche Mitglieder. Der SFB war nicht primär gewerkschaftlich orientiert, sondern erfüllte die weiblichen Assoziationsinteressen als Hausfrauen und Mütter. Darüber hinaus wurden die „freiheitlichen Kindergruppen" ab 1928 gemeinsam von der „Gemeinschaft proletarischer Freidenker" und der FAUD (AS) getragen, die u.a. die antiautoritären Erziehungsideale Franciso Ferrrers in die Praxis umzusetzen versuchten. Als Reaktion auf die Bedrohung durch die erstarkende nationalsozialistische Bewegung entstanden daneben seit 1929 die „Schwarzen Scharen". Diesem kleinen milizartigen Verband gehörten bis 1933 nicht mehr als 400 – 500 militante Mitglieder der FAUD (AS) an. Zur Förderung der kulturellen Aktivitäten und zur Außenwirkung wurde von der FAUD der zunächst der organisationseigene „Kater"-Verlag, dann der Verlag "Der Syndikalist" bzw. „ASY-Verlag" und darüber hinaus (seit 1929) eine Buchgemeinschaft getragen. Die „Gilde freiheitlicher Bücherfreunde" besaß 1931 ca. 1.250 Mitglieder, die zu etwa 50% nicht der FAUD entstammten.

Den Massenzuwachs, den die FAUD in den ersten Jahren ihres Bestehens verzeichnete, organisatorisch längerfristig einzubinden, misslang weitgehend. Die notwendige Interaktion mit den überregionalen Instanzen in der Organisation, insbesondere zwischen der GK und den Ortsgruppen, prägte sich besonders in der Anfangsphase der FAUD nur unzureichend aus. Dass die Vorkriegsstrukturen der FVdG mit dieser schwierigen Aufgabe überstrapaziert wurden, zeigte sich besonders darin, dass die Arbeitsbörsen in der Realität ihrem hochgesetzten Aufgaben: der Sozialisation der Mitgliederbasis, nicht erfüllten. Dieses Dilemma wurde zwar erkannt und konnte in der Folgezeit auch teilweise durch ein verstärktes Engagement in anderen Kulturorganisationen der Arbeiterbewegung kompensiert werden. Doch alle derartigen Bestrebungen erfolgten unkoordiniert und blieben der individuellen Initiative von Einzelmitgliedern überlassen. Als taktisches Kalkül entsprach ein planmäßiger Entrismus überdies nicht dem propagierten sozialrevolutionären Charakter des Anarchosyndikalismus.

Programm und Politik

Als theoretische Grundlagen für die Ideologiebildung des Anarchosyndikalismus in Deutschland sind, neben den Ideen Pierre Joseph Proudhons und Bakunin, vor allem die Schriften Pjotr Alexejewitsch Kropotkins aufzuzeigen. Dem Anarcho-Sozialismus Gustav Landauers kommt mit seinen kulturinhärenten Vorstellungen ebenfalls eine partielle Bedeutung zu, die im Umfeld der FAUD in den Genossenschafts- und Siedlungsexperimenten verwirklicht wurden. Die ideologischen Grundlagen der „Prinzipienerklärung des Syndikalismus" basieren weitgehend auf den Theorien des kommunistischen Anarchismus, wie er von P. Kropotkin entwickelt worden war. Dessen soziokulturelle Vorstellungen treten in dem von R. Rocker formulierten Selbstverständnis des Anarchosyndikalismus deutlich hervor und gehen unverkennbar auf P. Kropotkins Schrift „Die gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschen weit" zurück, dessen Verbindung von sozialer Ethik und anthropologischen Erkenntnissen charakteristisch ist. Als eigentlicher spiritus rector und ideologischer Impulsgeber der FAUD fungierte Rudolf Rocker, der nicht nur die zeitgenössischen Tendenzen des Anarchismus und Anarchosyndikalismus zu einem einheitlichen Gedankengebäude verschmolz, sondern auch die wichtigsten Grundlagen der humanistisch orientierten Philosophie integrierte. Mit der Betonung des gewerkschaftlichen Charakters der FAUD (AS) wurden ihren Funktionären gegen Ende der zwanziger Jahre auch intensiver die Theorien der politischen Ökonomie des Marxismus rezipiert und nutzbar gemacht. Das Primat des Aktionismus der direkten Aktion blieb dennoch weiterhin der strategische Ansatzpunkt in dem voluntaristischen Selbstverständnis der FAUD (AS). Das freie Bezugsrecht des kommunistischen Anarchismus trat nun zugunsten freiheitlich-sozialistischer Theoriepostulate in den Hintergrund, wie sie z. B. von H. Rüdiger in der Propagierung des Genossenschaftssozialismus und den Rätevorstellungen Gerhard Wartenbergs zum Ausdruck kamen. Der veränderten Konzeption der FAUD (AS) als einer „revolutionären Gewerkschaftsorganisation mit freiheitlicher (anarchistischer oder anarchosyndikalistischer) Einstellung" Augustin Souchy), wurde seit dem Ende der zwanziger Jahre, gegenüber dem Kulturanarchismus der Anfangsphase, eine vorrangige Bedeutung beigemessen. Die kulturellen Aktivitäten der Mitgliederschaft verlagerten sich jetzt stärker in Außenorganisationen oder wurden in Verbänden ausgeübt, in denen Anarchosyndikalisten aktiv waren, wie z.B. in den proletarischen Freidenkerorganisationen, dem Freien Sänger-Bund und in der Sexualreformbewegung.

Charakterisierung

Die FAUD setzte in direkter Nachfolge die syndikalistische Vorkriegstradition in der deutschen Arbeiterbewegung fort. Wenngleich der Anarchosyndikalismus in Deutschland niemals die Relevanz besaß, die er in den romanischen Ländern erlangte, so erreichte er dennoch in der Aufschwungphase bis 1922/23 eine regionale Bedeutung. In den anarchosyndikalistischen Hochburgen Berlin, Mühlheim/Ruhr, Düsseldorf und Sömmerda/Thüringen, konnten die Arbeitsbörsen im Ansatz die ihnen zugedachten Aufgaben über einen kurzen Zeitraum erfüllen. Die FAUD blieb jedoch nicht zuletzt ein Produkt der Revolutionszeit von 1918 bis 1920. Eine Massenorganisation wurde sie vor allem dadurch, dass ihre Prinzipien einem „naturwüchsigen Syndikalismus" (E. Lucas) in den radikalisierten Teilen der Massenarbeiterschaft entgegenkamen. In der Praxis gelang es der FAUD nicht, ihr anspruchsvolles Kulturkonzept einzulösen. Die Etablierung einer geregelten Arbeitslosenunterstützung im Jahr 1927 markierte den Zeitpunkt der fortschreitenden Integration der Arbeiterbewegung in den Sozialstaat. Aufgrund der Verrechtlichung aller Arbeitsbeziehungen zu einem sozialpartnerschaftlichen Institutionengeflecht, gerieten die Gewerkschaften zu einem systemimmanenten Teil des Wirtschaftssystems und die radikale Gewerkschaftsbewegung ins Abseits. Wenn die FAUD mit ihrer Zielsetzung, als sozialrevolutionäre Klassenorganisation eine dauerhafte Massenmobilisierung zu initiieren, insgesamt scheiterte, so entging der organisierte Anarchosyndikalismus in Deutschland dennoch der Isolation eines debattierenden Sektierertums. Die FAUD überdauerte die Weimarer Republik zwar nur als marginalisierte Kleinorganisation des ultralinken Randspektrums; mit ihrer Einbindung in der proletarischen Gegenkultur konnte sie jedoch in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen aktiv eingreifen. Dies wird nicht nur in ihrer umfangreichen Verlagsproduktion und in der Zahl ihrer Periodika deutlich, sondern zeigte sich auch in der Widerstandstätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus, zu dem der Anarchosyndikalismus einen bedeutenden Teil beigetragen hat.

Literatur und Quellen

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Autor: Hartmut Rübner

Quelle: Dieser Artikel erschien erstmals in: Lexikon der Anarchie: Encyclopaedia of Anarchy. Lexique de l'anarchie. - Hrsg. von Hans Jürgen Degen. - Bösdorf: Verlag Schwarzer Nachtschatten, 1993-1996 (5 Lieferungen). - Loseblattsammlung in 2 Ringbuchordnern (alph. sortiert, jeder Beitrag mit separater Paginierung). Für die vorliegende Ausgabe wurde er überarbeitet.

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