Archiv Aktiv
Mit dem Archiv Aktiv - Auswertungen und Anregungen für gewaltfreie Bewegungen - liegt eine in Deutschland einzigartige Quellensammlung zu Geschichte, Theorie und Praxis organisierter gewaltfreier Aktion vor. Der Schwerpunkt liegt auf West- Deutschland und der Zeit seit 1945, die internationale Bewegung ist u.a. durch zahlreiche Dokumente der War Resisters' International und des Internationalen Versöhnungsbundes vertreten. Das Archiv Aktiv sammelt seit 1987 Zeitschriften, Broschüren, Rundbriefe und Korrespondenzen aus Ökologie-, Friedens- und Menschenrechtsbewegungen, insbesondere der verschiedenen Strömungen, die gewaltfreien Widerstand und Zivilen Ungehorsam diskutier(t)en und anwende(t)en.
Das Archiv Aktiv versteht sich als Bewegungsgedächtnis und will konstruktive Impulse zur Fortentwicklung der gewaltfreien Bewegung geben. Es sieht sich herausgefordert von einer Situation, in der bisher detaillierte Untersuchungen oder öffentlichkeitswirksame Darstellungen der Gruppierungen, Projekte und Zeitschriften, der Diskussionen und Aktivitäten der gewaltfreien Bewegung in Deutschland fehlen, weder die Ideengeschichte, noch die Probleme der Organisierung, weder die Umsetzung der Theorie in die Praxis, noch politische Einwirkungen auf größere außerparlamentarische Bewegungen angemessen untersucht wurden.
Nachlässe und Schenkungen aus über 50 Jahren Bewegungserfahrung ergeben einen Bestand von ca. 1000 Themenordnern, ca. 250 Zeitschriftentiteln und zahlreichen Broschüren, Plakaten, Ton- und Bildmaterialien. Interviews mit ZeitzeugInnen ergänzen die schriftlichen Unterlagen und erlauben deren Aussagen besser einordnen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Aktiv...
Gemeinsam mit Zeitzeugen und heute Aktiven will das Archiv Aktiv einen die Bewegungs-Generationen übergreifenden Lernprozeß zugunsten gewaltfreier Veränderungen vorantreiben und sich dabei nicht auf wissenschaftliche Arbeit beschränken. Der Kontakt zu engagierten gewaltfreien Gruppen ermöglicht sowohl zeitnahe Informationssammlung wie ein Zurückfließen der Auswertungsergebnisse als Anregungen für ihre aktuelle gewaltfreie Praxis. Das Archiv Aktiv versteht seine Arbeit als 'handelndes Sammeln' aus teilnehmender Beobachtung und verbindet dies mit politischer Bildungsarbeit.
Die systematisierende Auswertung der Archivalien und der Informationen aus Interviews wird längerfristig einen Beitrag gegen das Vergessen und zur kritischen Geschichtsschreibung über Neue Soziale Bewegungen leisten. Die Vermittlung und Publikation der Auswertungsergebnisse soll Anregungen für aktuelle gesellschaftspolitische Diskussionen im allgemeinen und für die Weiterentwicklung von Theorie und Praxis gewaltfreien Handelns im besonderen geben.
...für gewaltfreie Bewegungen...
Quelle für das Archiv Aktiv ist die Arbeit gewaltfreier Gruppen, Initiativen und Kampagnen. Für sie will das Archiv Aktiv Gedächtnis sein und Instrument, um einer breiteren Öffentlichkeit die vielfältigen Erfahrungen und Erfolge gewaltfreier Aktions- und Organisationsformen näherzubringen. Das Archiv Aktiv will Initiativen und Aktionsgruppen wie kritische Kräfte der Gesellschaft im allgemeinen ermutigen, sich gewaltfrei wirksam gegen Unrecht und Gewalt und für menschliche, gerechte, friedliche und basisdemokratische Verhältnisse einzusetzen.
StudentInnen, JournalistInnen und sonstige Interessierte werden durch Zugang zu Dokumenten, die in staatlichen Archiven kaum erhältlich sind, in ihren Recherchen unterstützt. Das Archiv Aktiv sieht sich an der Schnittstelle zwischen Bewegung und Wissenschaft. Neben der Bereitstellung der Dokumente unterstützt das Archiv Forschende wie gewaltfrei Aktive durch Vermittlung von Adressen z.B. zu Zeitzeugen, Literaturhinweisen und sachkundige Beratung.
Die Geschichte Deutschlands ist geprägt von Gehorsam.
Zwei Weltkriege und der Nationalsozialismus wurden möglich, weil zu wenige Menschen rechtzeitig Widerstand leisteten. Auch die parlamentarische Demokratie nach 1945 ließ gesellschaftlich legitimierte Gewaltverhältnisse zu wie den Kalten Krieg, die Remilitarisierung oder die zunehmende Bedrohung der Lebensgrundlagen z.B. durch die Nutzung der "friedlichen" Atomenergie.
Wesentliche Impulse zur Entwicklung gewaltfreien Widerstandes kamen aus dem Ausland nach Deutschland. Berichte über die Aktionspraxis der US-Bürgerrechtsbewegung, des 'Committee of 100' der britischen Atomwaffengegner oder der Larzac- Bauern regten mehr dazu an, selbst Aktionen durchzuführen, als viele theoretische Schriften über Gewaltlosigkeit zuvor.
Seit Ende der 60er Jahre entwickelten in Deutschland Basisgruppen gewaltfreie Aktionen und Kampagnen Zivilen Ungehorsams. Durch praktische Anwendungen in der Friedens- und Ökologiebewegung verliehen sie den Prinzipien gewaltfreien Widerstands Glaubwürdigkeit und nahmen Einfluß auf größere gesellschaftliche Auseinandersetzungen, z.B. gegen die Atomwaffenstationierung in den 80er oder gegen die Castor-Transporte in den 90er Jahren. Sie leisteten so einen unverzichtbaren Beitrag zur Demokratisierung, zur selbstbewußt mündigen und kreativen Partizipation der BürgerInnen. Neue Themen wie Fremdenfeindlich- keit oder gewaltfreies Engagement in Bürgerkriegssituationen kamen hinzu.