AGWA - 09
Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit - Reihentiteleintrag - In Arbeit
Buchcover: | |
Titel: | Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit; Bd. 9 |
Herausgeber: | Wolfgang Braunschädel, Johannes Materna |
Verlag: | Germinal Verlag |
Erscheinungsort: | Fernwald |
Erscheinungsjahr: | 198X |
Umfang, Aufmachung: | Broschur, 168 Seiten |
ISBN: | 978-3886634095 |
Preis: | 11,00 EUR |
Direktkauf: | bei aLibro, der DadAWeb-Autorenbuchhandlung |
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
- Zu diesem Heft [4]
- Hans Schafranek: Hakenkreuz und rote Fahne. Die verdrängte Kooperation von Nationalsozialisten und Linken im illegalen Kampf gegen die Diktatur des ‘Austrofaschismus’ [7]
- Ulrich Linse: Die „Schwarzen Scharen“ - eine antifaschistische Kampforganisation deutscher Anarchisten [47]
- Ute Daniel: Frauen in der Kriegsgesellschaft 1914-1918: Staatliche Bewirtschaftungspolitik []
- und die Überlebensstrategien der Arbeiterfrauen [67]
- Sabine Behn: „...und die Mädels verbengeln und verwildern!“ Mädchen in der Jugendbewegung - Tradierungen und Abgrenzungen von weiblichen Rollenzuweisungen [77]
- Michael Buckmiller: Sozialer Mythos und Massenbewegung. Zur Problematik der Sorel-Rezeption]
- in Deutschland [91]
- Martin Henkel: Jürgen Kocka - ein Historiker der Nationalen Identitäts-Stiftung [115]
- Peter Kröger: Die Zweite Reichsgründung zu Worms und ihr Sendbote Bahro [131]
- Ulrich Linse: Robert Bek-gran - ein Nachtrag [135]
Rezensionen und Hinweise
- Rezensionen und Hinweise [137]
- Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf: Droste Verlag, 1987, 876 S. (Johannes Materna) [137]
- Volker Kratzenberg, Arbeiter auf dem Weg zu Hitler? Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Ihre Entstehung, ihre Programmatik, ihr Scheitern 1927-1934, Frankfurt am Main/Bern/New York: Verlag Peter Lang, 1987, 344 S. Wolfgang Braunschädel) [140]
- Hans Albert Wulf, „Maschinenstürmer sind wir keine.“ Technischer Fortschritt und sozialdemokratische Arbeiterbewegung, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1988, 228 S. (Wolfgang Braunschädel) [143]
- Hans-Jürgen Kornder, Konterrevolution und Faschismus. Zur Analyse von Nationalsozialismus, Faschismus und Totalitarismus im Werk von Karl Korsch, Frankfurt am Main/Bern/New York: Verlag Peter Lang, 1987, 260 S. (Wolf Raul) [145]
- Hans Schafranek, Das kurze Leben des Kurt Landau. Ein österreichischer Kommunist als Opfer der stalinistischen Geheimpolizei, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1988, 609 S. (Wolfgang Braunschädel) [147]
- Wolfgang Alles, Zur Politik und Geschichte der deutschen Trotzkisten ab 1930, Frankfurt/Main: isp-Verlag, 1987, 209 S. (Karl Andres) [149]
- Reiner Tosstorff, Die POUM im spanischen Bürgerkrieg, Frankfurt/Main: isp- Verlag, 1987, XII, 383, 174 S. (Wolfgang Braunschädel) [151]
- Walter Fähnders, Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910, Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987, 261 S. (Wolf Raul) [153]
- Jürgen Kinter, Arbeiterbewegung und Film (1895-1933). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiter- und Alltagskultur und der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Kultur- und Medienarbeit, MPZ Materialien 6, Hamburg: Medienpädagogik-Zentrum, 1985, 521 S. (Wolfgang Braunschädel) [156]
- Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland 1945-1985, Grafenau- Döffingen: Trotzdem Verlag, 1988, 273 S.]
- Hermann Rösch-Sondermann, Bibliographie der lokalen Alternativpresse, München/New York/London/Paris: K.G. Saur Verlag, 1988, 156 S. (Wolf Raul) [158]
- Hinweise [161]
Beschreibung
Zu diesem Heft
Der moderne bürgerliche Nationalismus in allen seinen Varianten ist zweifellos eine Ideologie, die dem internationalistischen Anspruch der klassischen Arbeiterbewegung grundlegend widerspricht. Auch wenn bereits in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges die nationale Frage in der Arbeiterbewegung mit zunehmender Heftigkeit diskutiert wurde, war es der Krieg, der jegliche bis dahin gepflegte internationalistische Ansprüche ad absurdum führte. Als in den folgenden Jahrzehnten die nationalen Befreiungsbewegungen der kolonisierten Länder zur Projektionsfläche einer vorgeblich internationalistisch gesinnten antiimperialistischen Linken gerieten und somit nationalistische Bewegungen mit internationalistischen Argumenten hofiert und unterstützt wurden, war der ursprüngliche Internationalismus endgültig zu einer banalen politischen Ideologie mutiert; an diesem ursprünglichen, an keinerlei nationalistische Bewegungen in welcher Welt auch immer sich bindenden Internationalismus hielten seither allenfalls noch kleine marginalisierte Gruppen fest. Interessant und merkwürdig in diesem Zusammenhang ist, daß einzig dem jüdischen Nationalismus von Beginn an in und von der Linken mit Mißtrauen und schließlich mit zum Teil heftiger Ablehnung begegnet wurde. Juden sollten sich, so der klassenübergreifende Konsens im Kontext der jüdischen Emanzipation seit der Aufklärung, entgegen den sonstigen allerorten aufbrechenden nationalistischen Bestrebungen quasi beispielhaft in die jeweiligen Gesellschaften und sozialen Milieus integrieren; auf sie wurde somit jener internationalistische Anspruch projiziert, den einzuhalten die Arbeiterbewegungen selbst nicht in der Lage waren, so daß sich die Frage stellt, ob und inwieweit diese Projektion nichts anderes als ein Spiegelbild des klassischen rassistischen Antisemitismus ist, der den Juden u.a. einen den jeweiligen Nationalismus untergrabenden Internationalismus unterstellt. Der Zionismus als jüdische Nationalbewegung hat vielfältige Ursachen, Wurzeln und inhaltliche Ausprägungen und ist ursprünglich eine insbesondere in Osteuropa entstandene Bewegung der materiell, kulturell und religiös unterdrückten und marginalisierten jüdischen Bevölkerung gewesen. Kay Schweigmann-Greve gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die unter jüdischen Sozialisten unterschiedlichster Richtung in Rußland vor dem Ersten Weltkrieg geführten Debatten zur sozialen und kulturellen Situation der ostjüdischen Bevölkerung und über Perspektiven einer nicht nur sozialen, sondern auch nationalen Emanzipation. Der aus der Gegend von Witebsk stammende Chaim Zhitlowsky, der um die vorletzte Jahrhundertwende auch einige Beiträge in deutschsprachigen sozialistischen Zeitschriften veröffentlichte, symbolisiert gewissermaßen auf exemplarische Weise die mentale und intellektuelle Spaltung zwischen zu nationaler Selbständigkeit drängender jüdischer Identität auf der einen und klassischer jüdischer Emanzipation im Sinne einer von der jeweiligen Gesellschaft erwarteten oder auch geforderten Assimilation auf der anderen Seite. In seinen beiden hier abgedruckten, zuerst Anfang des letzten Jahrhunderts in russischen Zeitschriften erschienenen Texten kritisiert Zhitlowsky einen redundanten ökonomistischen Materialismus, der nicht nur soziale, sondern auch kulturelle und mentale Probleme auf eine Klassenfrage reduziert und entwickelt seinerseits im Kontext der entsprechenden Debatten unter jüdischen Sozialisten die Ansicht, daß auch ein internationalistisch gesinntes Proletariat nicht nur auf seine Klassenlage und die daraus resultierenden Probleme reduziert werden kann, sondern sich bewußt sein sollte, daß es auch von den jeweiligen nationalen Traditionen beeinflußt ist und bleibt.
Egon Günther knüpft mit seiner Rekonstruktion der Lebensgeschichte der 1900 geborenen Hilde Kramer-Fitzgerald an seinen im letzten ARCHIV veröffentlichten Beitrag über die aus Bayern vertriebene "Spartakistenfamilie" Gabriele Kaetzlers an. Hilde Kramer, die einige Jahre im Landschulheim Gabriele Kaetzlers lebte, hatte sich in jungen Jahren voller Elan in der Münchener Räterevolution engagiert, war in den zwanziger Jahren für die KPD und die Kommunistische Internationale tätig, wurde 1929 aus der Partei ausgeschlossen und konnte 1937, da sie wegen ihrer Heirat mit Edward Fitzgerald die englische Staatsbürgschaft erhielt, mit ihrem Sohn noch rechtzeitig nach England ausreisen. Ihr Leben ist wohl typisch für jene Aktivist(inn)en, die zum einen das tragende organisatorische Gerüst kommunistischer Parteien ausmachten, zum anderen immer wieder zum Spielball politischer und ideologischer Interessen und Schachzüge wurden; so daß es nicht weiter verwundert, daß sie sich am Ende ihres Lebens (sie starb 1974) wünschte, sie "hätte Naturlehre studiert, anstatt sich mit Politik zu beschäftigen".
Salomo Friedlaender, manch einem vielleicht eher unter seinem Pseudonym Mynona oder als Mitarbeiter an der von seinem Vetter Anselm Ruest herausgegebenen Zeitschrift "Der Einzige" als "Individualanarchist" bekannt, ist ein ungemein produktiver Autor gewesen, der nicht nur Grotesken und Romane, sondern auch wichtige, wenn auch heute weitgehend vergessene philosophische Werke in der Nachfolge Kants geschrieben hat. Darüber hinaus hat er sich in den zwanziger Jahren, wie Detlef Thiel in seinem Beitrag dokumentiert, aus unterschiedlichsten Anlässen auch immer wieder sozial und politisch engagiert, auch wenn er stets auf kritischer Distanz zu den damaligen sozialistischen und kommunistischen Organisationen und zum marxistischen Denken überhaupt blieb. Die Dokumentation versammelt zum einen Texte von Friedlaender selbst, zum anderen Petitionen und Aufrufe, die er unterschrieben hat und zeitlich von einer Petition für den von der Berliner Universität relegierten Ernt Joël aus dem Jahr 1916, über Aktionen zum § 175 des Strafgesetzbuchs, für die "Internationale Arbeiterhilfe", das Kinderhilfswerk der "Roten Hilfe", zur Rehabilitierung von Max Hoelz bis zu einem Aufruf zur schließlich erfolgreichen Aufhebung der Todesurteile gegen die "Scottboro Boys", acht junge Farbige in den USA, aus dem Jahr 1932 reichen.
Schon bevor der Bürgerkrieg den spanischen Anarchosyndikalismus und Anarchismus zum Mythos werden und vielfach als solchen auch erstarren ließ, übte dieser offensichtlich auch außerhalb von Spanien über seine Anhänger im engeren Sinne hinaus eine gewisse Faszination aus. Anfang der dreißiger Jahre unternahm Emil Szittya, der bereits in seinem 1923 erschienenen "Kuriositäten-Kabinett" über seine Begegnungen mit gesellschaftlichen Außenseitern und Randfiguren jeglicher Couleur berichtet hatte und zu diesem Zeitpunkt in Paris lebte, eine "Reise durch das anarchistische Spanien", von der ein nachgelassener, hier erstmals von Walter Fähnders und Rüdiger Reinecke herausgegebener und kommentierter Reisebericht zeugt. Szittya berichtet zum einen in historischer Perspektive über soziale und politische Hintergründe und Besonderheiten des spanischen Anarchismus, zum anderen über seine Begegnungen nicht nur, aber insbesondere mit Anarchisten, so daß sich insgesamt ein zweifellos sehr subjektiv geprägtes, aber gerade deshalb auch sehr anschauliches Bild der stark von prämodernen und vorindustriellen Mentalitäten geprägten sozialen Probleme ergibt, die einige Jahre später die Auseinandersetzungen im Bürgerkrieg bestimmen sollten.
Antikapitalismus ist seit jeher kein Privileg der Linken gewesen; die konservative Sehnsucht nach einer ständisch strukturierten vorkapitalistischen Welt bei gleichzeitiger Bejahung moderner Technologien lief jedoch immer schon Gefahr, eine totalitäre Gesellschaftsordnung zu extrapolieren, in der das Individuum nur noch als funktionaler Teil eines organischen Ganzen betrachtet wird. Wie ein gesellschaftlich Ganzes zu funktionieren habe und wie das Individuum in dieses Ganze einzuordnen sei, ist wiederum eine Frage, die sich auch der Linken seit jeher stellte. Gerhard Hanloser konfrontiert in seinem Beitrag die totalitäre Vision, die Ernst Jünger in seinem 1932 erschienen antimarxistischen Buch "Der Arbeiter" entworfen hatte, mit einigen perspektivischen Überlegungen des damaligen Rätekommunisten Heinz Langerhans zur Verschmelzung von Kapital und Staat zu einem neuen Subjekt, dessen Neuorganisation der kapitalistischen Arbeitsverhältnisse in seiner allzu optimistischen Vision im Rahmen einer auf Weltkrise und Weltkrieg folgenden Weltrevolution von den sich in Räten organisierenden revolutionären Arbeitern in eine nunmehr proletarisch bestimmte planetarische neue Arbeitswelt transformiert werden könne.
Simone Weil, 1909 in Paris geboren und 1943 in der Emigration in England gestorben, ist in der Nachkriegszeit, wenn überhaupt, als einem mystisch interpretierten Katholizismus zuneigende Philosophin jüdischer Herkunft bekannt geworden; daß sie sich in ihrer Jugend für Arbeitslose engagierte, zeitweise ihre Arbeit als Lehrerin unterbrach und in einer Fabrik arbeitete und sich schließlich für kurze Zeit auch an der Seite der Anarchosyndikalisten im Spanischen Bürgerkrieg engagierte, wird einem eher existentialistisch oder gar religiös motivierten Engagement für die Armen in der Tradition christlicher Mystiker zugesprochen. Tatsächlich, so zeigt Charles Jacquier in seinem Beitrag über diese in ihrer intellektuellen und moralischen Stringenz fast schon exemplarische "Militante der extremen Linken", war Simone Weil jahrelang im Milieu der radikalen antistalinistischen Linken aktiv und veröffentlichte regelmäßig theoretische und auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmende Beiträge in heute kaum noch bekannten und schwer zugänglichen Zeitschriften. Diese Linke konnte in Frankreich zwar an Traditionen des gewerkschaftlich zu dieser Zeit noch stark verankerten Anarchosyndikalismus anknüpfen, sah sich jedoch zunehmend zwischen Sozialdemokratie und dem seit Mitte der dreißiger Jahre auch in Frankreich zunehmend dominanter werdenden stalinistischen Parteikommunismus zerrieben, so daß sich die Spuren des Engagements von Simone Weil nur noch aus den überlieferten Dokumenten kleiner Zirkel und Gruppen am Rande der großen Arbeiterorganisationen rekonstruieren lassen.
In den diversen Fraktionen der Linken hat man sich lange Zeit der Illusion hingegeben, daß die eigenen Parteigänger(innen) aus welchen obskuren Gründen auch immer gegen gerne ausschließlich in konservativen oder rechten Milieus lokalisierte weltanschauliche Unsinnigkeiten gefeit seien. Seit geraumer Zeit scheint sich zunehmend herumzusprechen, daß eine der widerwärtigsten dieser Unsinnigkeiten, der Antisemitismus, in der ein oder anderen Form auch in der historischen und gegenwärtigen Linken, von Frühsozialisten über Sozialdemokraten, Kommunisten bis zu den völkische Befreiungsbewegungen unterstützenden Antiimperialisten der Gegenwart eine Heimstatt gefunden hat(te). Für manch einen, der in den Jahren zuvor in solche Unsinnigkeiten verbreitenden Gruppierungen aktiv gewesen sein mag, ist diese plötzliche Entdeckung schon lange bekannter Tatsachen ganz nebenbei ein wie herbeigesehnter Grund, sich von der Linken und dem keineswegs veralteten Projekt der radikalen Kritik sozialer Verhältnisse in der Manier mancher früherer Renegaten zu verabschieden und sich genüßlich in der Mitte der neuen neoliberalen Heimat einzurichten. Robert Holzer gibt in seinem Beitrag einen Überblick über verschiedene Ausprägungen dieser ideologischen Verwirrungen, wobei der in der Linken tradierte und über Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen historischen Kontexten immer wieder aktualisierte, dabei aber auf im wesentlichen gleich bleibende Motive zurückgreifende Antizionismus im Milieu der bundesdeutschen Neuen Linken im Zentrum steht.
Trotz aller Hoffnungen, Projektionen und manchmal auch Berechnungen hat sich der Kapitalismus seit Jahrhunderten als zwar krisenanfällig, einer finalen Krise gegenüber jedoch stets als resistent gezeigt. Ganz im Gegenteil: Krisen haben sich als eine der kapitalistischen Gesellschaft immanente und für deren Weiterentwicklung wichtige Antriebskraft erwiesen; auch die von eschatologisch orientierten Geschichtsphilosophen zum Totengräber dieser Gesellschaft auserkorenen Proletarier aller Länder sind als widerständig verwertete Arbeitskraft und wichtigste Produktivkraft des kapitalistischen Produktionsprozesses immer nur Teil dieser krisenhaften Dynamik gewesen. Jacques Guigou und Jacques Wajnsztejn haben sich von der aktuellen Krise, von der manche offensichtlich glauben, sie bereits abschreiben zu können, dazu anregen lassen, einen Blick auf die innere historische Dynamik der kapitalistischen Vergesellschaftung zu werfen, wobei sie die industrielle Phase im engeren Sinne, zu deren Kosmos auch die klassische Arbeiterbewegung zu rechnen ist, in den Kontext einer über diese Phase hinausreichenden Entwicklung stellen. Im Zentrum ihrer Analysen stehen die mit einer neuerlichen Globalisierung zusammenhängenden Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die allen in den sechziger und siebziger Jahren noch einmal aktualisierten Illusionen zum Trotz zu einer durchgehenden Kapitalisierung aller sozialen Verhältnisse und Vermittlungen geführt haben, die offensichtlich keinerlei systemsprengenden sozialen Antagonismus mehr zuläßt.
Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst des Kommunismus. Kaum hatte im vergangenen Herbst eine sozialdemokratische Linke es gewagt, das Unwort in den Mund zu nehmen, schon meldeten sich publizistische Vertreter der in schwarze, gelbe, rote, grüne und immer noch braune Fraktionen ausdifferenzierten Bourgeoisie zu Wort. Da scheint es an der Zeit, einen Text aus der Frühzeit des modernen Kommunismus vorzustellen, als dieses ewige Schreckgespenst der Bourgeoisie sich noch voller Unschuld als Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft vorstellen konnte. In dem Dialog, den Étienne Cabet im Frühjahr 1848 einen Bürger und einen Kommunisten führen läßt, präsentiert sich der Kommunist als der bessere Bürger, während dieser auf den Kommunisten das projiziert, was er an sich selbst nicht wahrhaben will. Die Kunst, sich als das Andere seiner selbst zu imaginieren, ist gerade in bürgerlichen Milieus eine seit eh und je geschätzte Umgangsform. Das galt und gilt auch für das ganz besondere Verhältnis zwischen Bürger und Kommunist, jene Figuren einer Vergangenheit, die über die Gegenwart hinaus in die Zukunft verweisen: Aus Bürger(inne)n werden Kommunist(inn)en werden Bürger(innen) werden Kommunist(inn)en…
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