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| Titel: || '''[[Archiv_für_die_Geschichte_des_Widerstandes_und_der_Arbeit|Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit]]; Bd. 9''' | | Titel: || '''[[Archiv_für_die_Geschichte_des_Widerstandes_und_der_Arbeit|Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit]]; Bd. 9''' | ||
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| Umfang, Aufmachung: || Broschur, 168 Seiten | | Umfang, Aufmachung: || Broschur, 168 Seiten | ||
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− | + | '''Hans Schafranek''' beschäftigt sich in seinem einleitenden Beitrag mit einer Problematik, die sicherlich nicht nur im Kontext jener Ereignisse von Interesse ist, denen sein Augenmerk gilt. In Österreich war im Juni 1933 die NSDAP verboten worden, im Februar des darauffolgenden Jahres kam es zu einem Arbeiteraufstand gegen das autoritäre Dollfuß-Regime, der mit einer vernichtenden Niederlage endete, und im Juli 1934 unternahmen gleichzeitig, aber unabhängig voneinander die österreichische SS und SA Putschversuche, wobei Bundeskanzler Dollfuß zwar erschossen, das Regime aber nicht gestürzt wurde. Im Kontext dieser Ereignisse, besonders des gescheiterten Aufstandsversuchs vom Februar 1934, so der Ausgangspunkt von Schafraneks Arbeit, kam es in Teilen der Arbeiterschaft zu einer Verlagerung des Feindbildes. Jetzt waren es vielfach nicht mehr in erster Linie die Nationalsozialisten, sondern das Dollfuß- bzw., nach dessen Tod, Schuschnigg-Regime, mit dem die Arbeiterschaft und ihre Organisationen sich auseinandersetzten. In dieser Situation, in der Nationalsozialisten und Linke gleichermaßen unterdrückt waren, ergaben sich im Widerstand gegen das verhaßte System mancherlei Annäherungen, die Schafranek skizziert und auf ihre Inhalte hin reflektiert. Es sei hier nur angemerkt, daß damit ein Problemfeld angesprochen ist, das gerade auch in bezug auf die letzten Jahre der Weimarer Republik noch seiner Aufarbeitung harrt. | |
− | ''' | + | In eben jene Phase deutscher Geschichte begibt sich '''Ulrich Linse''' mit seiner Skizzierung der Geschichte der „Schwarzen Scharen“, einer in der bisherigen Forschung nicht berücksichtigten antifaschistischen Kampforganisation aus dem Umkreis des Anarchismus. Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD), die in den sozialen Auseinandersetzung in den Anfangsjahren der Weimarer Republik eine nicht unbedeutende Rolle gespielte hatte, war ein gutes Jahrzehnt später zu einer eher unbedeutenden Organisation geworden, in der ein zwar reges Innenleben mit einer weitgehenden Einflußlosigkeit nach außen einherging. Ausgehend von Oberschlesien, bald aber auch in Berlin und in anderen Provinzen Fuß fassend, entwickelte sich mit den „Schwarzen Scharen“ eine innerorganisatorische Oppositionsströmung, in der vorwiegend jugendliche Anarchisten bzw. Anarchosyndikalisten ein Betätigungsfeld für die zunehmend militanten Auseinandersetzungen in der Endphase der Weimarer Republik fanden. |
− | + | Mit der Frage, ob und inwieweit die spezifischen Reaktionen der Arbeiterfrauen auf die sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen während des Ersten Weltkrieges zur Delegitimierung der staatlichen Herrschaft beitrugen, beschäftigt sich '''Ute Daniel''' in ihrem Beitrag über „Frauen in der Kriegsgesellschaft 1914-1918“. In dem Maße, so ihre These, in dem sich die staatlichen Bürokratien als unfähig erwiesen, eine adäquate Lebensmittelversorgung zu garantieren, sahen sich insbesondere Arbeiterfrauen, die in erster Linie und unmittelbar mit diesem Problem konfrontiert waren, genötigt, in direkten Aktionen ihre Interessen zum Ausdruck zu bringen und somit die bis dahin weitgehend anerkannte Autorität des Staates in Frage zu stellen. Mit dem Ende des Krieges und der gerade auch von sozialdemokratischer Seite gestützten Reetablierung des staatlichen Machtgefüges sahen sich die Frauen jedoch wieder in ihre traditionellen Rollen verwiesen. | |
− | + | Ähnlich widersprüchlich verlief der Emanzipationsprozeß der aus bürgerlichem Milieu kommenden Mädchen, die sich in der Jugendbewegung der Vorkriegszeit engagierten. Hin- und hergerissen zwischen den auch im Kontext der Jugendgruppen an sie herangetragenen traditionellen Rollenzuschreibungen und dem eigenen Bestreben, aus eben jenen Zuweisungen auszubrechen, erwiesen sich, so '''Sabine Behn''', die neugewonnene Selbständigkeit und das entsprechende Selbstbewußtsein als erste Schritte zur Überwindung bürgerlicher Verhaltensnormen. Im Schnittpunkt zwischen der an traditionellen Weiblichkeitsnormen orientierten Ideologie der Jugendbewegung und den konkreten Aktivitäten der Mädchen entwickelten sich Erfahrungen, die lebensgeschichtlich bedeutsam wurden. | |
− | + | Mit der Rezeption Georges Sorels - ein Theoretiker, der die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Reaktionen erfahren hat - im Kontext der „konservativen Revolutionäre“ der zwanziger und dreißiger Jahre beschäftigt sich '''Michael Buckmiller''' in seinem Beitrag „Sozialer Mythos und Massenbewegung“. Georges Sorel, für Buckmiller unzweifelhaft ein Theoretiker, der mit seiner Theorie des gewaltsamen sozialen Massenstreiks nur aus dem Kontext der Arbeiterbewegung heraus zu verstehen ist und auch in diese hinein wirken wollte, ist von den konservativen und rechten Intellektuellen ihren Zwecken und Zielsetzungen entsprechend uminterpretiert worden. In dieser Rezeption Sorels reduziert sich dessen Gedankenwelt auf eine ihren eigentlichen Absichten entgegengesetzte formalisierte Theorie, in der Sorels gegen die bürokratisierten Arbeiterorganisationen gerichtete positive Bezugnahme auf soziale Massenbewegungen wiederum für eigene politische Zielsetzungen verfälscht wird. Eine solche positive Bezugnahme auf den machbaren Mythos und die darin implizierte Instrumentalisierung von Massen gewinnt auch heute wieder zunehmend an Aktualität, insofern ein allgemein zunehmendes Bewußtsein einer Sinnkrise zu entsprechenden Bewältigungsstrategien, speziell auch von konservativer Seite, geradezu herausfordert. | |
− | + | '''Martin Henkel''' und '''Peter Kröger''' beschäftigen sich in polemischer Absicht mit zwei Autoren, die im gegenwärtigen öffentlichen Bewußtsein in unterschiedlicher Weise präsent sind. Jürgen Kocka, Bielefelder Modernisierungstheoretiker, hat sich in der Historikerdebatte der vergangenen Jahre des öfteren als Gegenspieler seiner konservativen und rechten Kollegen zu Wort gemeldet. Martin Henkel arbeitet heraus, daß Kockas Interventionen nichts anderes bezwecken, als die Etablierung einer alternativen, sozialdemokratischen Variante von zustimmungsfähiger Vergangenheit und historischer Identitätsstiftung. Rudolf Bahro, lange Zeit enfant terrible der „Grünen“, hat sich mit seinem letzten Werk, der „Logik der Rettung“, ins spirituelle Abseits begeben. Ein Werk, das jedoch, so Peter Kröger, allenfalls Ausdruck der Krise ist, als dessen Lösung es sich anbietet. | |
− | + | Bei dem abschließenden Text von '''Ulrich Linse''' handelt es sich um einen kurzen Nachtrag zu dem in Heft 8 des ARCHIV erschienenen Beitrag über Robert Bek-gran. | |
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'''[[Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit|Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit - Reihentiteleintrag]]''' | '''[[Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit|Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit - Reihentiteleintrag]]''' |
Aktuelle Version vom 2. Dezember 2016, 10:49 Uhr
Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit - Reihentiteleintrag
Buchcover: | |
Titel: | Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit; Bd. 9 |
Herausgeber: | Wolfgang Braunschädel, Johannes Materna |
Verlag: | Germinal Verlag |
Erscheinungsort: | Fernwald |
Erscheinungsjahr: | 1989 |
Umfang, Aufmachung: | Broschur, 168 Seiten |
ISBN: | 978-3886634095 |
Preis: | 11,00 EUR |
Direktkauf: | bei aLibro, der DadAWeb-Autorenbuchhandlung |
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
- Zu diesem Heft [4]
- Hans Schafranek: Hakenkreuz und rote Fahne. Die verdrängte Kooperation von Nationalsozialisten und Linken im illegalen Kampf gegen die Diktatur des ‘Austrofaschismus’ [7]
- Ulrich Linse: Die „Schwarzen Scharen“ - eine antifaschistische Kampforganisation deutscher Anarchisten [47]
- Ute Daniel: Frauen in der Kriegsgesellschaft 1914-1918: Staatliche Bewirtschaftungspolitik []
- und die Überlebensstrategien der Arbeiterfrauen [67]
- Sabine Behn: „...und die Mädels verbengeln und verwildern!“ Mädchen in der Jugendbewegung - Tradierungen und Abgrenzungen von weiblichen Rollenzuweisungen [77]
- Michael Buckmiller: Sozialer Mythos und Massenbewegung. Zur Problematik der Sorel-Rezeption]
- in Deutschland [91]
- Martin Henkel: Jürgen Kocka - ein Historiker der Nationalen Identitäts-Stiftung [115]
- Peter Kröger: Die Zweite Reichsgründung zu Worms und ihr Sendbote Bahro [131]
- Ulrich Linse: Robert Bek-gran - ein Nachtrag [135]
Rezensionen und Hinweise
- Rezensionen und Hinweise [137]
- Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf: Droste Verlag, 1987, 876 S. (Johannes Materna) [137]
- Volker Kratzenberg, Arbeiter auf dem Weg zu Hitler? Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Ihre Entstehung, ihre Programmatik, ihr Scheitern 1927-1934, Frankfurt am Main/Bern/New York: Verlag Peter Lang, 1987, 344 S. Wolfgang Braunschädel) [140]
- Hans Albert Wulf, „Maschinenstürmer sind wir keine.“ Technischer Fortschritt und sozialdemokratische Arbeiterbewegung, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1988, 228 S. (Wolfgang Braunschädel) [143]
- Hans-Jürgen Kornder, Konterrevolution und Faschismus. Zur Analyse von Nationalsozialismus, Faschismus und Totalitarismus im Werk von Karl Korsch, Frankfurt am Main/Bern/New York: Verlag Peter Lang, 1987, 260 S. (Wolf Raul) [145]
- Hans Schafranek, Das kurze Leben des Kurt Landau. Ein österreichischer Kommunist als Opfer der stalinistischen Geheimpolizei, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1988, 609 S. (Wolfgang Braunschädel) [147]
- Wolfgang Alles, Zur Politik und Geschichte der deutschen Trotzkisten ab 1930, Frankfurt/Main: isp-Verlag, 1987, 209 S. (Karl Andres) [149]
- Reiner Tosstorff, Die POUM im spanischen Bürgerkrieg, Frankfurt/Main: isp- Verlag, 1987, XII, 383, 174 S. (Wolfgang Braunschädel) [151]
- Walter Fähnders, Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910, Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987, 261 S. (Wolf Raul) [153]
- Jürgen Kinter, Arbeiterbewegung und Film (1895-1933). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiter- und Alltagskultur und der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Kultur- und Medienarbeit, MPZ Materialien 6, Hamburg: Medienpädagogik-Zentrum, 1985, 521 S. (Wolfgang Braunschädel) [156]
- Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland 1945-1985, Grafenau- Döffingen: Trotzdem Verlag, 1988, 273 S.]
- Hermann Rösch-Sondermann, Bibliographie der lokalen Alternativpresse, München/New York/London/Paris: K.G. Saur Verlag, 1988, 156 S. (Wolf Raul) [158]
- Hinweise [161]
Beschreibung
Zu diesem Heft
Hans Schafranek beschäftigt sich in seinem einleitenden Beitrag mit einer Problematik, die sicherlich nicht nur im Kontext jener Ereignisse von Interesse ist, denen sein Augenmerk gilt. In Österreich war im Juni 1933 die NSDAP verboten worden, im Februar des darauffolgenden Jahres kam es zu einem Arbeiteraufstand gegen das autoritäre Dollfuß-Regime, der mit einer vernichtenden Niederlage endete, und im Juli 1934 unternahmen gleichzeitig, aber unabhängig voneinander die österreichische SS und SA Putschversuche, wobei Bundeskanzler Dollfuß zwar erschossen, das Regime aber nicht gestürzt wurde. Im Kontext dieser Ereignisse, besonders des gescheiterten Aufstandsversuchs vom Februar 1934, so der Ausgangspunkt von Schafraneks Arbeit, kam es in Teilen der Arbeiterschaft zu einer Verlagerung des Feindbildes. Jetzt waren es vielfach nicht mehr in erster Linie die Nationalsozialisten, sondern das Dollfuß- bzw., nach dessen Tod, Schuschnigg-Regime, mit dem die Arbeiterschaft und ihre Organisationen sich auseinandersetzten. In dieser Situation, in der Nationalsozialisten und Linke gleichermaßen unterdrückt waren, ergaben sich im Widerstand gegen das verhaßte System mancherlei Annäherungen, die Schafranek skizziert und auf ihre Inhalte hin reflektiert. Es sei hier nur angemerkt, daß damit ein Problemfeld angesprochen ist, das gerade auch in bezug auf die letzten Jahre der Weimarer Republik noch seiner Aufarbeitung harrt.
In eben jene Phase deutscher Geschichte begibt sich Ulrich Linse mit seiner Skizzierung der Geschichte der „Schwarzen Scharen“, einer in der bisherigen Forschung nicht berücksichtigten antifaschistischen Kampforganisation aus dem Umkreis des Anarchismus. Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD), die in den sozialen Auseinandersetzung in den Anfangsjahren der Weimarer Republik eine nicht unbedeutende Rolle gespielte hatte, war ein gutes Jahrzehnt später zu einer eher unbedeutenden Organisation geworden, in der ein zwar reges Innenleben mit einer weitgehenden Einflußlosigkeit nach außen einherging. Ausgehend von Oberschlesien, bald aber auch in Berlin und in anderen Provinzen Fuß fassend, entwickelte sich mit den „Schwarzen Scharen“ eine innerorganisatorische Oppositionsströmung, in der vorwiegend jugendliche Anarchisten bzw. Anarchosyndikalisten ein Betätigungsfeld für die zunehmend militanten Auseinandersetzungen in der Endphase der Weimarer Republik fanden.
Mit der Frage, ob und inwieweit die spezifischen Reaktionen der Arbeiterfrauen auf die sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen während des Ersten Weltkrieges zur Delegitimierung der staatlichen Herrschaft beitrugen, beschäftigt sich Ute Daniel in ihrem Beitrag über „Frauen in der Kriegsgesellschaft 1914-1918“. In dem Maße, so ihre These, in dem sich die staatlichen Bürokratien als unfähig erwiesen, eine adäquate Lebensmittelversorgung zu garantieren, sahen sich insbesondere Arbeiterfrauen, die in erster Linie und unmittelbar mit diesem Problem konfrontiert waren, genötigt, in direkten Aktionen ihre Interessen zum Ausdruck zu bringen und somit die bis dahin weitgehend anerkannte Autorität des Staates in Frage zu stellen. Mit dem Ende des Krieges und der gerade auch von sozialdemokratischer Seite gestützten Reetablierung des staatlichen Machtgefüges sahen sich die Frauen jedoch wieder in ihre traditionellen Rollen verwiesen.
Ähnlich widersprüchlich verlief der Emanzipationsprozeß der aus bürgerlichem Milieu kommenden Mädchen, die sich in der Jugendbewegung der Vorkriegszeit engagierten. Hin- und hergerissen zwischen den auch im Kontext der Jugendgruppen an sie herangetragenen traditionellen Rollenzuschreibungen und dem eigenen Bestreben, aus eben jenen Zuweisungen auszubrechen, erwiesen sich, so Sabine Behn, die neugewonnene Selbständigkeit und das entsprechende Selbstbewußtsein als erste Schritte zur Überwindung bürgerlicher Verhaltensnormen. Im Schnittpunkt zwischen der an traditionellen Weiblichkeitsnormen orientierten Ideologie der Jugendbewegung und den konkreten Aktivitäten der Mädchen entwickelten sich Erfahrungen, die lebensgeschichtlich bedeutsam wurden.
Mit der Rezeption Georges Sorels - ein Theoretiker, der die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Reaktionen erfahren hat - im Kontext der „konservativen Revolutionäre“ der zwanziger und dreißiger Jahre beschäftigt sich Michael Buckmiller in seinem Beitrag „Sozialer Mythos und Massenbewegung“. Georges Sorel, für Buckmiller unzweifelhaft ein Theoretiker, der mit seiner Theorie des gewaltsamen sozialen Massenstreiks nur aus dem Kontext der Arbeiterbewegung heraus zu verstehen ist und auch in diese hinein wirken wollte, ist von den konservativen und rechten Intellektuellen ihren Zwecken und Zielsetzungen entsprechend uminterpretiert worden. In dieser Rezeption Sorels reduziert sich dessen Gedankenwelt auf eine ihren eigentlichen Absichten entgegengesetzte formalisierte Theorie, in der Sorels gegen die bürokratisierten Arbeiterorganisationen gerichtete positive Bezugnahme auf soziale Massenbewegungen wiederum für eigene politische Zielsetzungen verfälscht wird. Eine solche positive Bezugnahme auf den machbaren Mythos und die darin implizierte Instrumentalisierung von Massen gewinnt auch heute wieder zunehmend an Aktualität, insofern ein allgemein zunehmendes Bewußtsein einer Sinnkrise zu entsprechenden Bewältigungsstrategien, speziell auch von konservativer Seite, geradezu herausfordert.
Martin Henkel und Peter Kröger beschäftigen sich in polemischer Absicht mit zwei Autoren, die im gegenwärtigen öffentlichen Bewußtsein in unterschiedlicher Weise präsent sind. Jürgen Kocka, Bielefelder Modernisierungstheoretiker, hat sich in der Historikerdebatte der vergangenen Jahre des öfteren als Gegenspieler seiner konservativen und rechten Kollegen zu Wort gemeldet. Martin Henkel arbeitet heraus, daß Kockas Interventionen nichts anderes bezwecken, als die Etablierung einer alternativen, sozialdemokratischen Variante von zustimmungsfähiger Vergangenheit und historischer Identitätsstiftung. Rudolf Bahro, lange Zeit enfant terrible der „Grünen“, hat sich mit seinem letzten Werk, der „Logik der Rettung“, ins spirituelle Abseits begeben. Ein Werk, das jedoch, so Peter Kröger, allenfalls Ausdruck der Krise ist, als dessen Lösung es sich anbietet.
Bei dem abschließenden Text von Ulrich Linse handelt es sich um einen kurzen Nachtrag zu dem in Heft 8 des ARCHIV erschienenen Beitrag über Robert Bek-gran.
Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit - Reihentiteleintrag