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Selten in der Geschichte des Periodikums darf von finanziell unbeschwerten Zeiten die Rede sein: Mother Earth erleidet insbesondere um 1912 herum eine schwere Krise, als E. Goldman, von einer Vortragsreise zurückgekehrt, eine fast ausweglose Lage vorfindet. Sie verlegt die Redaktionsräume in ein preisgünstigeres Gebäude, und muß sich gleich nochmals auf eine „lecture-tour“ begeben, um die Finanzen der Zeitschrift aufzubessern. Trotz allem ist aber Mother Earth wohl die in pädagogischer Hinsicht wichtigste Monatsschrift der Libertären, die je während längerer Zeit erschienen ist. | Selten in der Geschichte des Periodikums darf von finanziell unbeschwerten Zeiten die Rede sein: Mother Earth erleidet insbesondere um 1912 herum eine schwere Krise, als E. Goldman, von einer Vortragsreise zurückgekehrt, eine fast ausweglose Lage vorfindet. Sie verlegt die Redaktionsräume in ein preisgünstigeres Gebäude, und muß sich gleich nochmals auf eine „lecture-tour“ begeben, um die Finanzen der Zeitschrift aufzubessern. Trotz allem ist aber Mother Earth wohl die in pädagogischer Hinsicht wichtigste Monatsschrift der Libertären, die je während längerer Zeit erschienen ist. | ||
Als die Zeitschrift 1917 verboten wird, ist E. Goldman tief betroffen: „Niemand kann den schweren Schlag erahnen, der mich getroffen hat. Während zwölf Jahren habe ich mehr als jede Mutter für ihr Kind gekämpft und gelitten, um ‚Mother Earth’ erhalten zu können.“ (zit. v. Wexler 1984, S. 240). Bald erwies sich eine von E. Goldman beabsichtigte Verbreitung des Heftes im Untergrund als unmöglich. Zwischen Oktober 1917 und Mai 1918 publizierte die Herausgeberin noch das achtseitige „Mother Earth Bulletin“, eine Nachrichtenzusammenfassung über den Widerstand gegen den Krieg und die Situation in Rußland. Die Broschüre wurde als „unmailable“ (zit. v, ebd., S. 240) etikettiert und nicht mehr zugestellt. | Als die Zeitschrift 1917 verboten wird, ist E. Goldman tief betroffen: „Niemand kann den schweren Schlag erahnen, der mich getroffen hat. Während zwölf Jahren habe ich mehr als jede Mutter für ihr Kind gekämpft und gelitten, um ‚Mother Earth’ erhalten zu können.“ (zit. v. Wexler 1984, S. 240). Bald erwies sich eine von E. Goldman beabsichtigte Verbreitung des Heftes im Untergrund als unmöglich. Zwischen Oktober 1917 und Mai 1918 publizierte die Herausgeberin noch das achtseitige „Mother Earth Bulletin“, eine Nachrichtenzusammenfassung über den Widerstand gegen den Krieg und die Situation in Rußland. Die Broschüre wurde als „unmailable“ (zit. v, ebd., S. 240) etikettiert und nicht mehr zugestellt. | ||
− | Beiträge in Mother Earth stammen von [[Cleyre, Voltairine de |Voltairine de Cleyre]], Margaret Andersen, Reitman, [[ | + | Beiträge in Mother Earth stammen von [[Cleyre, Voltairine de |Voltairine de Cleyre]], Margaret Andersen, Reitman, [[Ferrer, Francisco |Francisco Ferrer]], Janivon, Baginski, Kelly, Abbott, Coryell, Schroeder, Will Durant – letzterer ist um 1912 mehrere Jahre Lehrer in der New Yorker „Modern School“ –, Havel, A. Berkman und E. Goldman selber. Man Ray gestaltet einige Titelblätter, Anarchistische Gruppen berichten über Streiks, über den Kampf für die Redefreiheit, die Bewegung der Arbeitslosen, Kampagnen zur Geburtenkontrolle, Gerichtsfälle sowie die Gründung von Schulen und Kooperativen im ganzen Land. Ausländische Autoren beschreiben die Libertäre Bewegung in Japan, Frankreich, Neu Seeland und Lateinamerika. 1910 zeichnen zwei Anarchosyndikalisten die Revolution in Mexico nach. Mother Earth druckt weiter Ausschnitte aus den Werken der für die libertäre Idee wichtige Schriftsteller ([[Proudhon, Pierre-Joseph |Pierre-Joseph Proudhon]], [[Malatesta, Errico |Errico Malatesta]], [[Reclus, Elisée |Elisée Reclus]], Fernand Pelloutier, [[Rocker, Rudolf |Rudolf Rocker]], Emile Pouget, [[Nettlau, Max |Max Nettlau]], Walt Whitman, Henry David Thoreau, Heine, [[Wollstonecraft, Mary |Mary Wollstonecraft]]). Rezensiert werden die Bücher von Gorki, A. France, Flaubert, [[Tolstoi, Leo N. |Leo N. Tolstoi]] und anderen. |
− | Stellvertretend für zahlreiche Beiträge E. Goldmans zur libertären Erziehung sei hier ein kurzer Text betrachtet, der unter dem Titel „La Ruche“ im November 1907 in Mother Earth abgedruckt wird – kurz nach dem Besuch der Amerikanerin in der Schule von [[Faure, | + | Stellvertretend für zahlreiche Beiträge E. Goldmans zur libertären Erziehung sei hier ein kurzer Text betrachtet, der unter dem Titel „La Ruche“ im November 1907 in Mother Earth abgedruckt wird – kurz nach dem Besuch der Amerikanerin in der Schule von [[Faure, Sébastian |Sébastian Faure]] bei Paris (Goldman 1907, S. 388- 394). Kurz vorher hatte sie über „Das Kind und seine Feinde“ geschrieben (Goldman 1906, Nr. 2, S, 7-14) und zwei Jahre später wird sie über F. Ferrers pädagogisches Werk berichteten (Goldman 1909, Nr. 9, S. 275- 278). |
Einleitend bemerkt die Autorin, die Erziehung von Kindern entfache – ob als Training oder als freie Entwicklung verstanden – immer wieder Streit. Tendenz aller Zeiten sei es aber schon immer gewesen, den uniformen und durchschnittlichen Menschen hervorzubringen. Spontaneität und Originalität würden insbesondere im noch jungen Jahrhundert als unnütze Fähigkeiten abgeurteilt: „Tatsächlich, je weniger kreativ ein Mensch ist, desto besser sind seine Chancen in jedem Beruf“ (Goldman 1907, S. 388), meint E. Goldman zynisch. Nie zuvor sei die Arbeitsteilung so ausgeprägt gewesen und nie zuvor sei der Mensch derart zu einer reinen Maschine degradiert worden wie heute: „Seine Tätigkeit ist mechanisch; seine Arbeit drückt ihm, anstatt ihn zu befreien, seine Ketten noch tiefer ins Fleisch.“ (ebd., S. 389) Ähnliche Prozesse beherrschen laut E. Goldman das Aufwachsen der Kinder, „Die Idee, die Erziehung eines Kindes – sei es nun Knabe oder Mädchen – beinhalte einige Überlegungen über dessen individuelle Neigungen, hat sich aus dem Denkhorizont heutiger Eltern und Lehrer entfernt. Kein Wunder, dass jene deshalb es verpassen müssen, die Relevanz freier Entwicklung und freien Aufwachsens überhaupt noch einschätzen zu können.“ (ebd., S. 3 89) S. Faures Ziel demgegenüber sei es, in seiner Schule bei Paris (vgl. Grunder 1986) dem Kind eine ungestörte Gelegenheit, sich zu entwickeln, zu geben. | Einleitend bemerkt die Autorin, die Erziehung von Kindern entfache – ob als Training oder als freie Entwicklung verstanden – immer wieder Streit. Tendenz aller Zeiten sei es aber schon immer gewesen, den uniformen und durchschnittlichen Menschen hervorzubringen. Spontaneität und Originalität würden insbesondere im noch jungen Jahrhundert als unnütze Fähigkeiten abgeurteilt: „Tatsächlich, je weniger kreativ ein Mensch ist, desto besser sind seine Chancen in jedem Beruf“ (Goldman 1907, S. 388), meint E. Goldman zynisch. Nie zuvor sei die Arbeitsteilung so ausgeprägt gewesen und nie zuvor sei der Mensch derart zu einer reinen Maschine degradiert worden wie heute: „Seine Tätigkeit ist mechanisch; seine Arbeit drückt ihm, anstatt ihn zu befreien, seine Ketten noch tiefer ins Fleisch.“ (ebd., S. 389) Ähnliche Prozesse beherrschen laut E. Goldman das Aufwachsen der Kinder, „Die Idee, die Erziehung eines Kindes – sei es nun Knabe oder Mädchen – beinhalte einige Überlegungen über dessen individuelle Neigungen, hat sich aus dem Denkhorizont heutiger Eltern und Lehrer entfernt. Kein Wunder, dass jene deshalb es verpassen müssen, die Relevanz freier Entwicklung und freien Aufwachsens überhaupt noch einschätzen zu können.“ (ebd., S. 3 89) S. Faures Ziel demgegenüber sei es, in seiner Schule bei Paris (vgl. Grunder 1986) dem Kind eine ungestörte Gelegenheit, sich zu entwickeln, zu geben. | ||
Im folgenden stellt die Autorin S. Faure als einen Feind der Reaktionären und des Klerus vor, der nicht nur als Freidenker, sondern als Anarchist eingestuft werden müsse. Als politisch Libertärer wie auch als anarchistischer Pädagoge sei er kompromisslos in seiner Opposition gegen ökonomische und soziale Zwänge. | Im folgenden stellt die Autorin S. Faure als einen Feind der Reaktionären und des Klerus vor, der nicht nur als Freidenker, sondern als Anarchist eingestuft werden müsse. Als politisch Libertärer wie auch als anarchistischer Pädagoge sei er kompromisslos in seiner Opposition gegen ökonomische und soziale Zwänge. | ||
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*A. Wexler: Emma Goldman, An Intimate Life, London 1984 | *A. Wexler: Emma Goldman, An Intimate Life, London 1984 | ||
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Aktuelle Version vom 13. Juli 2018, 08:47 Uhr
Lexikon der Anarchie: Organisationen
Inhaltsverzeichnis
Entwicklungsgeschichte, Gründung
In den Jahren 1906 bis 1917 gibt Emma Goldman zusammen mit Alexander Berkman (der gerade aus der Haft entlassen worden war) und Verleger Marc Epstein („...he provided beautiful programs and forgot the costs...“ [zit. v. Avrich 1980, S. 280]) die Zeitschrift „Mother Earth“ heraus. Nach 1917, Mother Earth war gerade verboten worden, wird „The Road to Freedom“ ediert von H. Havel, der selber an Mother Earth mitgearbeitet hatte, die auf Goldmans Periodikum folgende größere libertär-publizistische Initiative. Eine andere Weiterführung von Mother Earth unter demselben Namen (1933-1934, hg. v. J. Scott und J. A. Wheeler) ist kaum erwähnenswert, da sie lediglich als „librarian farm paper“ (ebd., S. 304) gewertet werden kann. Die Redaktionsbüros von Mother Earth befanden sich an der 119. Straße, zwischen Lennox und 5th Avenue, gerade zwölf Blocks von der New Yorker Ferrer-Schule entfernt.
Programm und Politik
Mother Earth, in einer Auflage von 3.000 bis 5.000 Exemplaren, führt Neuigkeiten über libertäre Schulen (und ähnlich gelagerte Versuche – auch in Übersee) und spielt so als wichtiges Bindeglied zwischen den pädagogisch tätigen Libertären. Die Zeitschrift ist dezidiert anarchistisch ausgerichtet; sie veröffentlicht Artikel gegen Staat, Politik und Militär. Immer ist ihr zentrales Thema aber die libertäre Erziehung – dies auch noch kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges: „Erziehung muß integral, rational, vielseitig und frei sein“ (zit. v. Avrich 1980, S. 68). Insofern führt über die Betrachtung von Mother Earth ein zusätzlicher Weg zur Analyse der pädagogischen Ideen E. Goldmans. Ist die Zeitschrift der Anarchistin näher zu betrachten, führt die folgende Charakteristik einige wesentliche Züge der libertären Erziehungsvorstellungen E. Goldmans erläuternd aus. Weil E. Goldman um 1912 das „revolutionäre potential“ der Intellektuellen wohl erstmals stark gewichtet und demgegenüber die us-amerikanische Intelligenz sowie die Bohème etwa in derselben Zeit die Anarchistin „entdecken“, stellt die publizistische Initiative – neben „Anarchism and other Essays“, (Goldman 1969, erstmals aufgelegt 1910) – einen Versuch dar, die Intellektuellen anzusprechen. Selten in der Geschichte des Periodikums darf von finanziell unbeschwerten Zeiten die Rede sein: Mother Earth erleidet insbesondere um 1912 herum eine schwere Krise, als E. Goldman, von einer Vortragsreise zurückgekehrt, eine fast ausweglose Lage vorfindet. Sie verlegt die Redaktionsräume in ein preisgünstigeres Gebäude, und muß sich gleich nochmals auf eine „lecture-tour“ begeben, um die Finanzen der Zeitschrift aufzubessern. Trotz allem ist aber Mother Earth wohl die in pädagogischer Hinsicht wichtigste Monatsschrift der Libertären, die je während längerer Zeit erschienen ist. Als die Zeitschrift 1917 verboten wird, ist E. Goldman tief betroffen: „Niemand kann den schweren Schlag erahnen, der mich getroffen hat. Während zwölf Jahren habe ich mehr als jede Mutter für ihr Kind gekämpft und gelitten, um ‚Mother Earth’ erhalten zu können.“ (zit. v. Wexler 1984, S. 240). Bald erwies sich eine von E. Goldman beabsichtigte Verbreitung des Heftes im Untergrund als unmöglich. Zwischen Oktober 1917 und Mai 1918 publizierte die Herausgeberin noch das achtseitige „Mother Earth Bulletin“, eine Nachrichtenzusammenfassung über den Widerstand gegen den Krieg und die Situation in Rußland. Die Broschüre wurde als „unmailable“ (zit. v, ebd., S. 240) etikettiert und nicht mehr zugestellt. Beiträge in Mother Earth stammen von Voltairine de Cleyre, Margaret Andersen, Reitman, Francisco Ferrer, Janivon, Baginski, Kelly, Abbott, Coryell, Schroeder, Will Durant – letzterer ist um 1912 mehrere Jahre Lehrer in der New Yorker „Modern School“ –, Havel, A. Berkman und E. Goldman selber. Man Ray gestaltet einige Titelblätter, Anarchistische Gruppen berichten über Streiks, über den Kampf für die Redefreiheit, die Bewegung der Arbeitslosen, Kampagnen zur Geburtenkontrolle, Gerichtsfälle sowie die Gründung von Schulen und Kooperativen im ganzen Land. Ausländische Autoren beschreiben die Libertäre Bewegung in Japan, Frankreich, Neu Seeland und Lateinamerika. 1910 zeichnen zwei Anarchosyndikalisten die Revolution in Mexico nach. Mother Earth druckt weiter Ausschnitte aus den Werken der für die libertäre Idee wichtige Schriftsteller (Pierre-Joseph Proudhon, Errico Malatesta, Elisée Reclus, Fernand Pelloutier, Rudolf Rocker, Emile Pouget, Max Nettlau, Walt Whitman, Henry David Thoreau, Heine, Mary Wollstonecraft). Rezensiert werden die Bücher von Gorki, A. France, Flaubert, Leo N. Tolstoi und anderen. Stellvertretend für zahlreiche Beiträge E. Goldmans zur libertären Erziehung sei hier ein kurzer Text betrachtet, der unter dem Titel „La Ruche“ im November 1907 in Mother Earth abgedruckt wird – kurz nach dem Besuch der Amerikanerin in der Schule von Sébastian Faure bei Paris (Goldman 1907, S. 388- 394). Kurz vorher hatte sie über „Das Kind und seine Feinde“ geschrieben (Goldman 1906, Nr. 2, S, 7-14) und zwei Jahre später wird sie über F. Ferrers pädagogisches Werk berichteten (Goldman 1909, Nr. 9, S. 275- 278). Einleitend bemerkt die Autorin, die Erziehung von Kindern entfache – ob als Training oder als freie Entwicklung verstanden – immer wieder Streit. Tendenz aller Zeiten sei es aber schon immer gewesen, den uniformen und durchschnittlichen Menschen hervorzubringen. Spontaneität und Originalität würden insbesondere im noch jungen Jahrhundert als unnütze Fähigkeiten abgeurteilt: „Tatsächlich, je weniger kreativ ein Mensch ist, desto besser sind seine Chancen in jedem Beruf“ (Goldman 1907, S. 388), meint E. Goldman zynisch. Nie zuvor sei die Arbeitsteilung so ausgeprägt gewesen und nie zuvor sei der Mensch derart zu einer reinen Maschine degradiert worden wie heute: „Seine Tätigkeit ist mechanisch; seine Arbeit drückt ihm, anstatt ihn zu befreien, seine Ketten noch tiefer ins Fleisch.“ (ebd., S. 389) Ähnliche Prozesse beherrschen laut E. Goldman das Aufwachsen der Kinder, „Die Idee, die Erziehung eines Kindes – sei es nun Knabe oder Mädchen – beinhalte einige Überlegungen über dessen individuelle Neigungen, hat sich aus dem Denkhorizont heutiger Eltern und Lehrer entfernt. Kein Wunder, dass jene deshalb es verpassen müssen, die Relevanz freier Entwicklung und freien Aufwachsens überhaupt noch einschätzen zu können.“ (ebd., S. 3 89) S. Faures Ziel demgegenüber sei es, in seiner Schule bei Paris (vgl. Grunder 1986) dem Kind eine ungestörte Gelegenheit, sich zu entwickeln, zu geben. Im folgenden stellt die Autorin S. Faure als einen Feind der Reaktionären und des Klerus vor, der nicht nur als Freidenker, sondern als Anarchist eingestuft werden müsse. Als politisch Libertärer wie auch als anarchistischer Pädagoge sei er kompromisslos in seiner Opposition gegen ökonomische und soziale Zwänge. Besonders gewichtet werden in E. Goldmans Skizze von „La Ruche“ die Koedukation, die befreite Atmosphäre und das lockere Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Sie stimmt dem Franzosen zu, dass die „Geschichte noch nicht geschrieben“ sei und die Schüler im Fach Geschichte über das Schicksal derjenigen aufgeklärt würden, die „unbekannt in ihrer Anstrengung, der Menschheit zu einer besseren Entwicklung zu verhelfen, gestorben seien“ (ebd., S. 393). Zusammenfassend bemerkt E. Goldman, der Besuch der libertären Schule S. Faures in Rambouillet sei äußerst aufschlussreich verlaufen und sie bedauert es, nicht länger dort gewesen zu sein. Abschließend wünscht sie „La Ruche“ eine gedeihliche Entwicklung und fragt sich und ihre Leser, ob es denn – in einer Welt voll Scham, Hinterhältigkeit und Elend überhaupt ein „größeres Unterfangen geben könne, als neue Männer und Frauen zu erziehen“. (ebd., S. 394)
Charakterisierung
Mother Earth ist von Beginn an ein Vehikel für die Verbreitung E. Goldmanscher Ansichten, eine Plattform, „wo ich mich zuhause fühlen konnte“ (zit. v. Wexler 1984, S. 122), wie die Herausgeberin selber sagt. Als ein Journal kulturellen und politischen Radikalismus, erhofft sich das Magazin die Beiträge jener, „die nach Höherem streben, dem Gemeinen müde, und die nur im grenzenlosen Raum frei atmen können.“ (ebd., S. 123) Anarchisten aus dem ganzen Land – und dem Ausland – steuern während der zwölf Jahre des Erscheinens Artikel bei und geben der Zeitschrift dadurch ein lebendiges, farbiges Gesicht. Außerdem machen sie es damit zu einem Medium der libertären Bewegung, zu einem stimulierenden Mittel, die anarchistischen Ideen auszuformulieren. Als Blatt der kulturellen Avantgarde scheint sein Erfolg allerdings nicht groß gewesen zu sein, da Mother Earth wohl mehr ein Periodikum der Propaganda als ein Produkt für die damalige Welt der Kunst ist.
Literatur und Quellen
- P. Avrich: The Modem School Movement, Princeton 1980
- E. Goldman: The Child und its Enemies, in: Mother Earth, Nr. 2, S. 7-14, New York 1906
- E. Goldman: La Ruche, in: Mother Earth, Nr. 9, S. 388- 394
- E. Goldman: F. Ferrer, in: Mother Earth, Nr. 9, S. 275 -278
- E. Goldman: Anarchism and other Essays, Dover 1969
- H. U. Grunder, Wir fordern alles. Weibliche Bildung im 19. und 20. Jahrhundert, Grafenau 1998
- H. U. Grunder: Anarchistische Erziehung. Geschichte - Modelle - Beispiele, Baltmannsweiler 2007
- Mother Earth, New York: 1906-1917
- A. Wexler: Emma Goldman, An Intimate Life, London 1984
Hans Ulrich Grunder
Quelle: Dieser Artikel erschien erstmals in: Lexikon der Anarchie: Encyclopaedia of Anarchy. Lexique de l'anarchie. - Hrsg. von Hans Jürgen Degen. - Bösdorf: Verlag Schwarzer Nachtschatten, 1993-1996 (5 Lieferungen). - Loseblattsammlung in 2 Ringbuchordnern (alph. sortiert, jeder Beitrag mit separater Paginierung). Für die vorliegende Ausgabe wurde er überarbeitet.
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