Karin Kramer - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 7. April 2014, 19:33 Uhr
Karin Kramer ist tot
Am 20. März 2014 ist in Berlin die anarchistische Verlegerin Karin Kramer (geb. Höpfner, 09.11.1939) im Alter von 74 Jahren gestorben. Karin Kramer hatte seit Anfang der 1970er Jahre zusammen mit ihrem Mann Bernd Kramer den nach ihr benannten Buchverlag in Berlin-Neukölln betrieben, der für viele seiner Leserinnen und Leser zum Synonym für anarchistische Literatur werden sollte. Über vier Jahrzehnte haben Karin und Bernd mit ihren Buchveröffentlichungen maßgeblich dazu beigetragen, dass auch im deutschen Sprachraum neu und vermehrt über Anarchie und Anarchismus nachgedacht und diskutiert wurde. Niemals zuvor war das Angebot an deutschsprachiger anarchistischer Literatur so groß und thematisch vielfältig wie heute, und das verdanken wir nicht zuletzt auch Karin Kramer und dem nach ihr benannten Verlag.
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des Lexikons der Anarchie trauern um eine liebe Freundin und kämpferische Weggefährtin. Karin, wir vermissen Dich schmerzlich! Und Dir, Bernd, wünschen wir viel Kraft in dieser schweren Zeit, in der Du auf unsere Solidarität zählen kannst.
Die Beerdigung von Karin Kramer findet auf Wunsch der Familie im kleinen Kreis statt.
Wer seine Erinnerungen an Karin Kramer mit uns teilen möchte, kann sie auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die Karin-Kramer-Gedenkseite.
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.
Jochen Schmück
Redaktion DadAWeb.de
Inhaltsverzeichnis
- 1 Karin Kramer. Unvergessen. Von Jochen Knoblauch
- 2 Verlegerin und Anarchistin. Von Michael Volk / Bibliothek der Freien
- 3 Eine prägnante Vertreterin der Einmaligkeit eines Menschen. Von Rolf Raasch
- 4 Karin Kramer ist tot! Von Andreas W. Hohmann / Verlag Edition AV
- 5 Eine Reaktion von Gerhard Senft
- 6 Erinnerung von Bernd und Gisela vom lAubfroschvertrieb für freiheitliche Literatur
- 7 Manchmal hatte ich Glück. Von Elke Marsueschke
- 8 Ein Ausstellungstipp von Hansjörg Viesel
- 9 Weblinks
Karin Kramer. Unvergessen. Von Jochen Knoblauch
Am 20. März 2014 starb Karin Kramer nach langem Kampf mit dem Krebs.
Karin war immer die Seele des Verlages, eines Verlages der bereits unter dem Namen "Underground Press" ein Teil meiner politischen Sozialisation war. Und als ich Anfang der 1970er Jahre eine Teestube eröffenen wollte – das war damals modern – schrieb ich auch an den Karin Kramer Verlag, weil ich unbedingt deren Bücher verkaufen wollte, doch ich erhielt einen freundlichen Brief, dass ich mich an den Maulwurf Buchvertrieb wenden müßte. Von hier aus liefen die Kontakte, Freunde, Bekannten usw. für meine nächsten Jahre sternförmig auseinander, bis ich in den frühen 1980er Jahre zurück nach Berlin beim Regenbogen-Buchvertrieb im Kollektiv arbeitete – und Bücher aus dem Karin Kramer Verlag verkaufte. In dieser Zeit fällt auch eine meiner peinlichsten Geschichten: Eine meiner ersten Vertretersitzungen (hier werden die Verlagsprogramme vorgestellt) war beim Kramer Verlag in Neukölln abends, und ich hatte schon einiges an Alkohol getrunken. Prompt schlief ich am Tisch während der Sitzung ein. Vor zwei Wochen, als ich die Geschichte Bernd erzählte lachte er nur. Im Nebenzimmer lag Karin und schlief nach einem anstrengenden Tag.
Da, wo Bernd laut, trinkend, polternd daher kommt, in seiner Art, wie er nun mal ist, da hat Karin immer Ruhe bewahrt. Sie hatte immer ein prinzipielles Interesse an den Menschen, ohne zu tratschen, ohne sich an Gerüchte zu beteiligen.
Von meinen ersten Buchmessen in Frankfurt/M. Anfang der 1980er Jahre, über die Zeit bei Regenbogen sowie die Zeit, als ich selbst dann den AurorA-Buchvertrieb hatte (wo ich zwar keine Kramer-Bücher mehr vertrieb, aber im Buchladen verkaufte) bis zu den Besuchen bei Bernd und Karin im Verlag oder auch bei ihnen zu Hause, so gab es doch eine Lektion, die bei mir hängen geblieben, und mir von Karin erteilt worden ist: Ich übergab Karin einen Text von mir mit den Worten, dass der unbedingt korrekturgelesen werde müsse, da ich ja nur Hauptschüler sei. Daraufhin "stauchte" mich Karin zusammen, dass es egal sei, welchen Schulabschluss jemand habe, es hindere niemanden daran – wenn es einen interessiert – sich eine ordentliche Rechschreibung beizubringen. Das war natürlich mehr als nur auf Rechtschreibung gemünzt, es war die anarchistische Haltung, dass jedeR für sein Tun verantwortlich ist.
Es folgten weitere Gespräche über Bücher, Autoren und Projekte, Treffen auf Veranstaltungen, an Büchertischen, den Linke Buchtagen usw. Es war immer eine Bereicherung. Karin, ich werde Dich vermissen.
Lieber Bernd, die Zeiten werden schwierig. Wenn wir helfen können, dann melde Dich einfach.
knobi
Verlegerin und Anarchistin. Von Michael Volk / Bibliothek der Freien
Uns Mitgliedern der Bibliothek der Freien war schon seit längerem bekannt, dass Karin Kramer schwer krank war. Über fast 45 Jahre war Karin die große Macherin des Verlages. Während ihr Mann Bernd oft als Ideengeber wirkte, war Karin Kramer diejenige, die alles zusammenhielt und die immer wieder den Verlag um die harten Klippen des Überlebens navigiert hat. Sie besorgte das Geld, hielt die Finanzen zusammen und hat schweren Zeiten standgehalten, wenn der Verlag fast am Ende war. Dass es den Verlag bis heute gibt, ist ihrem großen Geschick zu danken.
Die große Zeit des Kramer-Verlages sind die 1970er und 80er Jahre gewesen. Viele junge Menschen sind damals durch die Bücher des Verlages mit dem Anarchismus in Berührung gekommen. Viele junge Autoren haben durch den Kramer-Verlag eine Möglichkeit bekommen, ihr erstes Buch zu veröffentlichen und Karin hat vielen Mut gemacht.
Ich habe sie als Jung-Anarcho ungefähr im Jahre 1976 kennengelernt und zwar im ersten Libertären Forum (Eisenbahnstraße in Kreuzberg), in dem alle anarchistischen Gruppen Berlins vertreten waren. Karin war in diesen Jahren eine politisch aktive Verlegerin und Anarchistin, die die Buchproduktion als Teil der politischen Arbeit verstand. Bernd und Karin haben mir und meinen Mitkämpfern gezeigt, wie Flugblätter und Broschüren gemacht werden, wie eine Demo angemeldet wird und wie man mit der Polizei umgeht. Sehr viel habe ich von ihr über den Buchhandel gelernt. Das hat mir Mut gemacht, selbst in Buchläden mitzuarbeiten, der erste hatte den Namen Rhizom, der zweite Buchzeit. In beiden A-Buchläden war immer das komplette Programm des Kramer-Verlages erhältlich. Regelmäßig zur Buchmesse haben wir ein Kramer-Fenster gestaltet und Karin kam immer vorbei, um es zu begutachten.
In den über 20 Jahren der Bibliothek der Freien haben wir immer wieder Bücher des Verlages vorgestellt und standen in regelmäßigem Kontakt. Als sie wusste, dass es schlecht um sie steht, hat sie mit uns gesprochen und wir haben versprochen, die Geschichte des Verlages zu dokumentieren. Wir haben jetzt schon wichtige Verlagsmaterialien in unserem Archiv.
Wir wissen nicht, wie es mit dem Verlag weitergeht. Mit dem Tod von Karin Kramer geht jedenfalls ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte des libertären Verlagswesens zu Ende.
Die Bibliothek der Freien erinnert im Rahmen einer Veranstaltung am 16. Mai 2014 an die politisch aktive Verlegerin und Anarchistin, die uns über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden war.
Michael Volk
Bibliothek der Freien, Berlin
Eine prägnante Vertreterin der Einmaligkeit eines Menschen. Von Rolf Raasch
Wenn Andere sterben, hat man Gelegenheit, sich Gedanken über die schnell vergangene Zeit zu machen und wie alt man selbst inzwischen geworden ist. Dies ging mir besonders nach dem Tod Karins so: Karin war 74 Jahre alt. Das konnte ich mir bis zum Zeitpunkt ihres Todes überhaupt nicht vorstellen. Sie wirkte mindestens 10 Jahre jünger. Bedenkt man die historische Bedeutung des nach ihr benannten Verlages, erscheint sie im Rückblick vom Alter her sogar irgendwie zeitlos.
Ohne sie hätte es den Karin-Kramer-Verlag so (und überhaupt) wohl nicht gegeben. Den gibt es inzwischen ja schon 45 Jahre lang.
Wahrscheinlich hätte es die 68er-Jugendrevolte und den Neoanarchismus ohne diesen Verlag in der Form wahrscheinlich auch nicht gegeben, wenn ich bedenke, wie wichtig uns Anfang der 1970er Jahre die Titel des Karin-Kramer-Verlages (Underground Press L) und besonders die Zeitschrift Linkeck gewesen sind.
Karin Kramer: Eine prägnante Vertreterin der Einmaligkeit eines Menschen.
Rolf Raasch, Berlin
Karin Kramer ist tot! Von Andreas W. Hohmann / Verlag Edition AV
Mit Entsetzen haben wir heute morgen erfahren, dass Karin Kramer gestorben ist. Karin war mit ihrem Verlag eine Wegbegleiterin unsere Jugend und belieferte uns mit den Büchern, die wir lesen mussten und wollten, sie war auch eine engagierte Kollegin und Freundin. Wir haben uns nie als Konkurrenten verstanden, sondern als Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen – eine freie glückliche Welt. Karin wird uns nicht nur als „Macherin“ fehlen, sie wird auch eine Lücke in unserem Leben hinterlassen.
Karin wird stets in unseren Gedanken bleiben.
Wir trauen um Karin Kramer und wünschen Bernd viel Kraft.
Andreas W. Hohmann und das Team von Verlag Edition AV
Eine Reaktion von Gerhard Senft
Bin sehr betroffen über das Ableben von Karin! Ich habe sie als stets offenen, gesprächsbereiten, warmherzigen und mutigen Menschen kennengelernt! Als Autor oder Herausgeber war man im Karin Kramer Verlag immer gut aufgehoben. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, dass sie nicht mehr unter uns weilt!
Prof. Dr. Gerhard Senft, Wien
Erinnerung von Bernd und Gisela vom lAubfroschvertrieb für freiheitliche Literatur
Als wir 1974 unsere ersten drei (Karlsruher!) Volkspreishefte beim Klaus in Wetzlar druckten, war selbstverständlich eine von mir gestaltete Anzeige des Karin Kramer Verlages, nein "unseres" Karin Kramer Verlages Berlin drin. Als wir dann unseren lAubfroschvertrieb für freiheitliche Literatur mit dem dazu gehörenden Büchertisch aufbauten, war selbstverständlich das Verlagsprogramm mit auf dem Tisch (in unserem Archiv sind heute noch 2,3 oder mehr Exemplare von nicht verkauften Büchern!).
Als ich in dieser Zeit mal wieder in Berlin war und (ehrlich!!) ehrfurchtsvoll über die prall gefüllten Bücherkisten beim Karin Kramer Verlag steigen mußte kam mir schon der Gedanke "wie finanzieren die das bloß"? (auf den ich bis heute keine Antwort weiß!)
Auch wenn wir uns in den nun vergangenen Zeiten nicht wieder gesehen oder gesprochen haben, versuchen wir doch den Verlust mit Allen und insbesondere mit Bernd Kramer zu teilen.
Bernd und Gisela aus Elmstein
Manchmal hatte ich Glück. Von Elke Marsueschke
Wenn ich vormittags zu Edeka ging, wechselte ich immer die Straßenseite. Hoffte ich doch Frau Kramer hinter den Fensterscheiben ihres Geschäftes zu entdecken. Manchmal hatte ich Glück. Und manches Mal sogar grosses. Das war, wenn wir uns sahen und zuwinkten.
Das ist jetzt vorbei. Und doch werde ich weiterhin die Straßenseite wechseln und am Geschäft vorbeigehen, und hoffe, dass ich dabei immer an sie denken werde.
Elke Marsueschke
Ein Ausstellungstipp von Hansjörg Viesel
Bis zum 6.4.14 läuft bei der SPD Stresemannstraße eine Ausstellung der Fotografin Ruth Westerwelle Die Frauen der APO- die weibliche Seite von 68.
Dort ist ein sehr schönes aktuelles Porträt von Karin zu sehen, zugleich ein sehr heiteres von 1968, Karin stopft Strümpfe.
Es lohnt sich. Eintritt frei, Personalausweis erforderlich.
Hansjörg Viesel
Weblinks
- [1]
- Homepage des Karin Kramer Verlages
- "Das A im strahlendem Kreis" (Interview von Bernd Drücke mit Karin und Bernd Kramer, graswurzelrevolution, Nr. 302, Oktober 2005)
- Nachruf auf Karin Kramer im Libertären Podcast März 2014, Anarchistisches Radio Berlin